Die Vorbereitungen zur Erwerbung der Königskrone. 201
einen so reichen Ertrag, daß er beschloß, auch andere fromme Schriften zum
Nutzen der Anstalt zu verkaufen. In raschem gesegnetem Wachsthum ent¬
stand ein neues Pädagogium mit einem Hause für Pensionäre, ferner ein
Lehrerseminar, eine Töchterschule, ein Krankenhaus, ein Wittwenhospital
u. s. w. und mitten unter allen diesen Anstalten, in demselben Geiste begrün¬
det, die Canstein'sche Bibelanstalt zur wohlfeilen Verbreitung der
Bibel unter den Armen.
Alle diese Stiftungen haben lange fortgeblüht unb sind durch die Theil¬
nahme Friedrich Wilhelm's III. zu gesegneter Thätigkeit neu erweckt worben.
Die Zahl ber in ber Anstalt erzogenen Waisenkinber beträgt gegen 7000.
Ebenso reich gesegnet war die Wirksamkeit der anderen Anstalten, besonders der
Lehrerseminare, welche für einen großen Theil von Deutschland eine Pflanz¬
stätte tüchtiger Lehrer wurden.
Francke selbst hat bis an sein Ende in betn herrlichen Berns mit dersel¬
ben Demuth und Freubigkeit fortgewirkt, hochgeehrt von aller Welt, in sei¬
nen späteren Tagen besonders auch von König Friedrich Wilhem I. Er ent¬
schlummerte sanft unb selig am 8. Juni 1729. Unter Friedrich Wilhelm III.,
hundert Jahre später, ist ihm ein Denkmal gesetzt worden mit der bezeichnen¬
den Inschrift: „Er vertraute Gott."
27. Die Erwerbung der preußischen Königskrone.
Die Vorbereitungen und der Kronvertraq. Friedrich's III. sehn¬
lichstes Streben war von Anbeginn seiner Regierung auf die Erhöhung sei¬
nes Hauses durch die Erwerbung des königlichen Xantens und Ranges ge¬
richtet gewesen. Man darf diesen Wunsch nicht blos auf Rechnung seiner
Eitelkeit setzen: es handelte sich offenbar für ihn und besonders für sein Land
um weit mehr, als um bie Befriebiguug blos äußerlicher eitler Ehrfurcht,
es galt vielmehr, einen Schritt weiter auf ber Bahn glorreicher Erhebung
feines Hauses unb seiner Staaten zu thun.
Man erzählt, schon seinem Vater sei von Ludwig XIV. gerathen worden,
sich vom deutschen Reich loszusagen und zum unabhängigen König zu machen,
aber dem deutscheu Sinne des großen Kurfürsten konnte solch ein Plan nicht
zusagen; er verbanb sich gerabe um basEnbe seiner Regierung noch fester mit
dem Kaiser, und sein Sohn setzte diese Politik fort. Mit der Zustimmung
des Kaisers hoffte derselbe dann zu erringen, was der arglistige Franzosen¬
könig gern als Mittel zur tieferen Spaltung Deutschlands benutzt hätte.
In allen Ländern Europas war damals eine eifersüchtige Rangfncht
unter den Fürsten allgemein herrschend: auf ben Reichstagen tu Regensburg
unb Frankfurt würbe eine kostbare Zeit mit betn Streit hingebracht, welche
Gefanbte ben Titel „Excellenz" führen bürsten, welche von ihnen bei gemein¬
schaftlichen Festmahlzeiten rnitgolbnern ober mit silbernem Geschirr zu bebienen
feien, in welcher Rangorbnung sie einhergehen müßten unb begleichen mehr.
Der König von Frankreich hatte nur mit der größten Mühe durchgesetzt, daß
auch ihm das bis dahin nur dem Kaiser beigelegte Prädicat „Majestät" gegeben
wurde. Dem französischen Fürsten wollten natürlich bie übrigen Könige nicht
nachstehen, die cu wicber bie Republik Venebig nicht. Die Kurfürsten empfan«