Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

322 Der König auf Reisen. 
Würdigkeit ganz als Mensch dem Kreise von Freunden hingab, welchen er um 
sich versammelte; oft wurde das Gespräch sehr lebhaft, sehr witzig, oft im 
höchsten Grade schalkhaft, da sich Friedrich selbst gauz gehen ließ und rück¬ 
haltslos über alle Dinge sprach und sprechen ließ. Wenn die Gesellschaft ent¬ 
lassen war, oft erst um Mitteruacht, stellte sich Friedrich vor das Kamin, zog 
sich selbst aus, entließ seine Kammerbedienten mit dem regelmäßigen Befehl, 
ihn am andern Morgen zu wecken, und schlief immer ohne Licht und meist 
bald ein. Zwei Hoslakaien hatten im Vorzimmer die Wache. Gustav Adolph's 
Bild war das einzige in dem Schlafgemache von Sanssouci. 
Die Reisen. Die königliche Tagesordnung wurde jährlich im Monat 
Mai gestört, wo Friedrich regelmäßig seine Reisen in die Provinzen begann, 
zuerst nach Sachsen uud Preußen, dann nach Schlesien. Diese Reisen waren 
ausschließlich dem Dienste des Landes gewidmet; außer den Truppen¬ 
musterungen, welche er überall abhielt, sah der große Monarch nach Allem 
auch in der bürgerlichen Verwaltung, ^whe uud niedere Beamte, die Präsi¬ 
denten und Directoren der Domänenkammern und der Regierungen, die 
Forstbedieuteu, kurz jeder an seiner Stelle mußte, bis ins Kleinste hinein, 
Bericht auf alle Fragen geben. In jedem Kreise mußte sich am ersten Vor¬ 
spannorte der Landrath melden und die genaueste Auskunft über alle Verhält¬ 
nisse des Kreises ertheilen, ebenso die Amtleute und Schulzen, welche neben 
dem Wagen noch eine Strecke herreiten mußten, um auf weitere Fragen zu 
antworten. Auch Kaufleute und Geschäftsmänner aller Art sah der König 
gern um sich. Was Friedrich mit diesen Landesreisen bezweckte, spricht er 
unter Anderem in einem Briefe an Voltaire ans, wo er sagt: „Ich suche in 
meinem Vaterlande zu verhindern, daß der Mächtige den Schwachen unter¬ 
drücke, und bisweilen Urtheile zu mildern, die mir zu strenge scheinen. Dies 
ist zum Theil meine Beschäftigung, wenn ich die Provinzen durchreise; Jeder¬ 
mann hat Zutritt zu mir, alle Klagen werden entweder von mir selbst unter¬ 
sucht oder von Anderen und ich bin dadurch Personen nützlich, deren Dasein 
ich nicht einmal kannte, ehe ich ihre Bittschrift erhielt. Diese Revision macht 
die Richter aufmerksam und verhütet zu harte uud zu strenge Proceduren." 
Große Bequemlichkeit verlangte der König auf feinen Reisen eben so 
wenig, wie im Feldlager; das einfachste Nachtquartier war ihm das liebste, 
besonders gern kehrte er bei armen, würdigen Geistlichen ein, um ihnen die 
100 Thaler zuzuwenden, welche immer als Entschädigung für ein Nacht¬ 
quartier gezahlt wurden. Sehr ärgerlich war es ihm, wenn er etwa mit 
großen Lob- und Schmeichelreden empfangen wurde. Als ihn einst ein Bürger¬ 
meister, bei dem er eingekehrt, mit solchen Schmeicheleien begrüßte, äußerte 
er gegen seine Begleiter das größte Mißfallen über die getroffene Wahl des 
Quartiers und sagte: „Zehn Mal lieber wär' ich in der Hütte eines ehr¬ 
lichen Bauers eingekehrt, als bei einem solchen kriechenden Floskeldrehcr." 
Natürlich war auf den Reifen der Andrang des Volkes sehr groß: nicht 
blos diejenigen, welche ein Anliegen vorzutragen oder eine Bittschrift zu über¬ 
reichen hatten, eilten auf den Weg des Königs herbei, Alle, Groß unb Klein, 
wollten den ruhmgekrönten Fürsten, den geliebten Landesvater gern einmal 
von Angesicht sehen. Friedrich entzog sich der Liebe seines Volkes nicht, son¬ 
dern erfreute sich au der allgemeinen Theilnahme. Als einst die Pferde ge-
	        
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