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Friedrich Wilhelm HL (1797—1840).
41. Friedrich Wilhelm als Kronprinz; seine Thronbesteigung.
Friedrich Wilhelm's Jugendzeit. Friedrich Wilhelm III., der älteste
Sohn des vorigen Königs, hatte am 3. August 1770 zu Potsdam das Licht
der Welt erblickt, in einem schlichten Bürgerhause, wo sein Vater Friedrich
Wilhelm als Kronprinz ein Absteigequartier hatte. Der große Friedrich saß
damals noch ans dem Throne; er begrüßte den neugeborenen Prinzen als
dereinstigen Thronerben mit herzlichen Freudenthränen und bewahrte dem¬
selben stets eine große Theilnahme, um so mehr, als Friedrich Wilhelm schon
als Kmb tüchtige Eigenschaften des Herzeus und Willens erkennen ließ.
Sowie Friedrich Wilhelm das Knabenalter erreicht hatte, wurde ihm
ein Erzieher in der Person des Geheimenrathes Behnisch gegeben. Die Wahl
war nicht durchaus glücklich zu nennen; zwar diente des Lehrers strenger
Ernst dazu, dem jungen Prinzen ein treues Pflichtgefühl, sowie Fleiß und
Ordnungssinn mitzutheilen, aber andererseits war Behnisch's kränkliches und
oft mürrisches Wesen nicht dazu geeignet, einen frischen, freien und zuver¬
sichtlichen Sinn bei dem Zöglinge aufkommen zu lassen, vielmehr wurde der¬
selbe durch den Erzieher ängstlich, schüchtern und unsicher in seinem Beneh¬
men gemacht. An und für sich hatte es Friedrich Wilhelm schon als Kind
durchaus nicht an Festigkeit gefehlt: davon zeugt auch jene oft erzählte Scene
mit Friedrich dem Großen. Der alte König hatte dem Großneffen, der in
seiner Stube spielte, den Ball weggenommen, der kleine Prinz bestand aber
mit solcher Festigkeit auf seinem Eigenthume und gutem Rechte, daß der König
ihm den Ball lächelnd mit den Worten zurückgab: „Du wirst Dir Schlesien
nicht wieder nehmen lasien." Nicht minder erfreute den alten Fürsten die
Aufrichtigkeit des jungen Friedrich Wilhelm. Einst ließ er ihn eine Fabel
von Lafontaine übersetzen und belobte ihn wegen der Geläufigkeit, mit welcher
er dies ausführte. Der Knabe bemerkte jedoch, daß er dir Fabel erst vor
Kurzem bei seinem Lehrer übersetzt habe, worauf ihm Friedrich mit noch grö¬
ßerer Freude die Wangen streichelte und dabei sagte: „So ist's recht, lieber
Fritz; immer ehrlich und aufrichtig. Wolle nie scheinen, was Du nicht bist;
sei stets mehr, als Du scheinst." Friedrich Wilhelm hat selbst oft gesagt, wie
diese Ermahnung einen unauslöschlichen Eindruck aus ihn gemacht, und wie
ihm Verstellung uub Lüge jeder Zeit zuwider gewesen. In der letzten Unter¬
redung, welche er mit dem großen Friedrich an der Pyramide bei Sanssouci
hatte, schloß dieser seine Ermahnung mit den Worten: „Nun Fritz, werde was
Tüchtiges. Es wartet Großes auf Dich. Ich bin am Ende meiner Tage und