438 Provinzialstände; Friedrich Wilhelm's spätere Regierungsjahre.
Es sollte sofort eine Commission niedergesetzt werden, um die Ausfüh¬
rung dieser Maßregel vorzubereiten.
Diese Verordnung ist ein Beweis des ehrenden Vertrauens, welches
der König in seine Unterthanen setzte, und des aufrichtigen Willens, dieselben
bei der Berathung ihrer wichtigen Interessen selbst zu betheiligen. Es geht
aus dem mitgetheilten Texte hervor, daß der König zuerst die Provinzial¬
stände neu befestigen und dann aus ihnen heraus allgemeine Reichsstände bilden
wollte. Nicht mit einem Male sollte das schwere Werk ausgeführt, sondern mit
reiflicher Ueberlegung wollte man erst die Erfahrungen, die man mit den Pro¬
vinzialständen machen würde, für die höhere Stufe der Landesverfassung be¬
nutzen. Der damalige Kronprinz, der verstorbene König Friedrich Wil¬
helm IV., war es besonders, der sich mit der Ausbildung der ständischen Ver¬
fassung in Preußen lebhaft beschäftigte und sich darüber in Briefwechsel mit
Stein setzte. Er erbat sich von demselben unter Anderem auch Rath dar¬
über, ob es angemessen sei, die Reichsstände zugleich mit den Provinzial¬
ständen oder erst später ins Leben treten zu lassen, worauf der berühmte
Staatsmann in einem ausführlichen, trefflichen Schreiben sich schließlich dahin
entschied: „Er halte die Provinzialstände für eine Vorübung zu dem schwie¬
rigen Berufe der allgemeinen Stände, und in diesen werde man theils den
Geist erkennen, der sich ausspricht, theils manche Erfahrungen sammeln, die
man bei der Bildung der Reichsstände benutzen könne."
In der That wurde auch fürerst die Errichtung von Provinzialständen
allein ins Auge gefaßt. Am 3. August 1823 (am Geburtstage des Königs)
erschien das Gesetz wegen allgemeiner Anordnung von Provinzial¬
ständen. Die Stände jeder Provinz, sowohl die Kreis» wie die Provinzial¬
stände, werden nach diesem Gesetze lediglich aus den Grundbesitzern in
Stadt und Land gewählt: die Besitzer der ehemaligen Standesherrschaften
und die Rittergutsbesitzer bilden den ersten Stand, welcher die Hälfte aller
Mitglieder des Provinziallandtages wählt, die andere Hälfte wird von dem
Stande der Städte und dem der Bauern bestellt. Die Provinzialstände,
welche gewöhnlich alle drei Jahre zusammentreten, haben über die Gesetz¬
entwürfe, welche ihre Provinz angehen, zu berathen und ihr Gutachten dar¬
über abzugeben, — ferner sollten sie, so lange keine allgemeine Ständever¬
sammlung Statt fände, auch die allgemeinen Gesetze über Personen, Eigen¬
thum und Steuerveränderungen u. f. w. berathen.
Die weitere Ausbildung der ständischen Gesetzgebung wurde der Zukunft
vorbehalten.
51. Friedrich Wilhelm's spätere Regierunggjahre.
Nach und nach sanken die bedeutendsten der Männer, welche des Königs
Sorgen in den Jahren des Druckes und der darauf folgenden Erhebung ge¬
theilt hatten, ins Grab. Der Feldmarschall Blücher, vom Könige wie vom
Volke bis in seine letzten Tage durch die mannigfachsten Zeichen vaterlän¬
discher Dankbarkeit geehrt, war am 12. September 1819 auf seinem Gute
Krieblowitz in Schlesien gestorben; ihm folgte am 27. November 1822 der
Fürst Hardenberg.