Wilhelm L
Regent 1858 — 1861, König feit 1861.
56. Sis ;ur Uebernahme der Regentschaft.
Die Jugendzeit. Wilhelm, der Nachfolger seines kinderlosen Bruder-
Friedrich Wilhelm IV., ist am 22. März 1797 im damaligen kronprinzlichen
Palais zu Berlin (im jetzigen Palais seines Sohnes, des Kronprinzen) ge¬
boren, der zweite Sohn Friedrich Wilhelm's III., welcher wenige Monate
darauf den Thron bestieg In der Taufe (am 3. April) erhielt er die Namen
Friedrich Wilhelm Ludwig, nach dem zweiten dieser Namen wurde er bis
zum Jahre 1840 stets Prinz Wilhelm genannt („der junge Prinz Wilhelm"
zum Unterschied vom „alten Prinz Wilhelm," dem Bruder des Königs Friedrich
Wilhelm III.). In Gemeinschaft mit dem nur anderthalb Jahre älteren Kron¬
prinzen verlebte er seine Jugendzeit unter der liebevollen Pflege und Obhut
der Königin Luise: seine schwächliche Körperbeschaffenheit flößte derselben
manche schwere Besorgniß ein, erst im Jünglingsalter entwickelte er sich zu
größerer Kraft, die dann zu überraschender Rüstigkeit fortschritt. Wie der
Kronprinz, so wuchs auch Prinz Wilhelm unter dem segensreichen Einfluß
jener edelsten Fürstin auf, welche auch in ihm die Keime schlichter Frömmig¬
keit, sittlicher Tüchtigkeit, ächten Wohlwollens und herzlicher Menschenliebe
zu wecken und zu pflegen suchte. Mit richtigem klaren Blick erkannte die
Fürstin schon früh das Wesen des Prinzen, von dem sie in jenem mehrfach
erwähnten herrlichen Briefe an ihren Vater schrieb: „Unser Sohn Wilhelm
wird, wenn mich nicht Alles trügt, wie sein Vater, einfach, bieder und
verständig." Selten hat sich eine Charakteristik aus erster Jugendzeit so
bewährt, wie diese.
Der Erzieher des Kronprinzen, Delbrück, leitete zuerst auch die Aus¬
bildung des Prinzen Wilhelm, nach demselben seit 1809 ein Professor 9?ei¬
nt an n. Während des Aufenthalts in Königsberg wurde der Major von
Pirch zum militärischen Gouverneur der beiden ältesten Prinzen ernannt,
seit 1810 aber erhielt Prinz Wilhelm den Unterricht des damaligen Cadet-
tenlehrers (späteren Generals) von Reiche, welcher ihm schnelles Auffassen
und einen praktischen Verstand, große Ordnungsliebe, Talent zum Zeichnen
und einen für sein Alter ernsten und gesetzten Charakter nachrühmte. „Es
lag in ihm," schrieb Reiche später, „der wahre, zuverlässige Soldat und An¬
führer, wie er es nachher auch im vollen Maße geworden ist." Es wird ferner
berichtet, daß der Prinz sich vielfach mit den Schriften Friedrich's des Großen,