494 Der Prinz von Preußen als Regent.
namentlich die hochbegabte Prinzessin von Preußen auf die Erziehung mib
Heranbildung ihrer Kinder verwandt hatte und wie diese Bemühungen durch
treffliches Gedeihen derselben au edler Sinnes- uud Gemüthsart, an ächter
fürstlicher Würde und wahrhafter Liebenswürdigkeit belohnt worden waren.
Desto herzlicher war die Theilnahme der ganzen Bevölkerung an den hoff¬
nungsreichen Geschicken derselben. Die Prinzessin Luise vermählte sich in
ihrem achtzehnten Lebensjahre (am 20. September 1856) mit dem Gro߬
herzog Friedrich von Baden.
Prinz Friedrich Wilhelm verlobte sich im Sommer 1857 mit der
ältesten Tochter der Königin von England, mit Victoria, Prinzeß
royal von England (geboren am 21. November 1840). Im Sommer 1856
hatte ein wiederholter Gesuch des Prinzen uud der Prinzessin von Preußen
und ihrer beiden Kiuder in London stattgefunden, und schon damals verlautete
das Gerücht über die bevorstehende Verbindung des jungen prinzlichen Paares.
Allgemeine freudige Zustimmung begrüßte die im nächsten Jahre stattfindende
Verlobung, welcher am 25. Januar 1858 die Vermählung in London
folgte. In England, wie in Preußen erregte das Ereigniß die herzlichste
Theilnahme und Freude der Bevölkerung sowohl wegen der persönlichen
Eigenschaften des jungen fürstlichen Paares, wie auch als ein Unterpfand
inniger Beziehungen zwischen den beiden größten protestantischen Staateu.
(Am 27. Januar 1859 ist dem jungen fürstlichen Paare, auf welchem Preußens
Hoffnungen ruhen, ein Prinz geboren worden, welcher in der Taufe die Na¬
men Friedrich Wilhelm Victor Albert erhielt; sodann ant 24. Juli 1860
eine Prinzessin Victoria Elisabeth Auguste Charlotte, am 14. August 1862
wieder ein Prinz Albert Wilhelm Heinrich, am 12. April 1866 eine Prin¬
zessin Friederike Wilhelmine Amalie Victoria.)
57. Die Regentschaft 1858 — 1861*).
Die ersten Schritte des Regenten. Durch die Einsetzung der Regent¬
schaft (im October 1858) war der Prinz von Preußen zum selbstständigen
Leiter der Landesregierung berufen worden. Während er die vorhergehende
„Stellvertretung" ausdrücklich nur nach den ihm bekannten Intentionen
des Königs geführt hatte, war ihm jetzt nach dessen eigenen Worten und
nach dem Sinne der Verfassung die königliche Gewalt „in der alleinigen
Verantwortlichkeit gegen Gott nach bestem Wissen und Gewissen" übertragen.
Der Prinz war mit dem Gange der Regierung in den letzten Jahren nicht in
allen Beziehungen einverstanden gewesen: namentlich hatte er die Bestrebungen
auf Wiederherstellung der alten ständischen Einrichtungen, sowie andererseits
die strenge Handhabung der Regierungsgewalt, wie sie zunächst nach den revo¬
lutionären Bewegungen von 1848 allerdings nothwendig gewesen war, in der
Art ihrer Ausführung nicht durchweg gebilligt. Als er nun die selbstständige
Führung der Regierung antrat, berief er alsbald ein neues Ministerium, von
dessen Mitgliedern er eine volle Uebereinstimmung mit seinen eigenen An-
*) Die stellvertretende Regierung und btc Einsetzung der Regentschaft s. oben
S. 478 — 480.