506 Fürsteniag in Frankfurt; die Schleswig-Holsteinsche Frage.
wartet und ohne vorherige Verständigung mit dem König Wilhelm, obwohl
dieser gerade damals in den österreichischen Staaten verweilte, mit einem
Plane zur Reform des deutschenBundes hervor, zu dessen Berathung
er die Fürsten Deutschlands zu einem Fürsten tage nach Frankfurt (am
Main) berief. König Wilhelm erklärte auf die auch an ihn ergangene Ein¬
ladung, daß es ihm zur Genugthuung gereiche, den Kaiser von Oesterreich
mit sich in Uebereinstimmung zu wissen in Betreff des Bedürfnisses einer
zeitgemäßen Umgestaltung der Bundesverfassung, welche ihm selbst jeder Zeit
am Herzen gelegen habe; aber er lehnte die Mitwirkung zu den Plänen des
Kaisers ab, weil er in denselben den Weg zur Erfüllung jenes Bedürfnisses
nicht finden konnte. Der Minister von Bismarck sprach sich dahin aus, es
sei der Würde des Königs von Preußen nicht entsprechend, sich nach Frankfurt
zur Entgegennahme von Vorschlägen in Bundesangelegenheiten zu begeben,
über welche der Rath Preußens nicht vorher gehört sei. Ueber die Sache
selbst aber erklärte der preußische Minister schon damals, daß Preußen
die Bürgschaften für eine Befriedigung der wahren In¬
teressen und Bedürfnisse der deutschen Nation nur in einer
wahren, aus directer Betheiligung der ganzen Nation her¬
vorgehenden National-Vertretuug finden könne. An Preu¬
ßens festem und ruhigem Widerstände scheiterte das übereilte Unternehmen
Oesterreichs. Unter den in Frankfurt versammelten deutschen Fürsten wurde
bald das Bewußtsein lebendig, daß all ihr Rathen und Thun vergeblich sein
müsse, wenn sie nicht Preußens Regierung für ihren Plan gewinnen könnten;
sie entsandten deshalb den König von Sachsen an König Wilhelm, um diesen
wo möglich noch zur Theilnahme am Fürstentage zu bewegeu. Die preußi¬
sche Regierung blieb jedoch dabei stehen, daß die Pläne Oesterreichs unver¬
einbar seien mit der berechtigten Stellung Preußens, wie mit den wirklichen
Interessen und Wünschen des deutschen Volkes, und verharrte bei ihrer Wei¬
gerung. Die Folge war, daß das mit blendendem Glanze und großen Hoff¬
nungen unternommene Werk erfolglos in sich selbst zerfiel. Es trat für Jeder¬
mann klar hervor, daß ohne Preußen und vollends gegen Preußen Nichts
für Deutschland durchgeführt werden könne.
Bald kam die Zeit, wo die preußische Politik sich auch in eigenen, folgen¬
reichen Thaten bewähren sollte.
59. Der Schleswig-Holsteinsche Krieg (1864).
Die Schleswig'Holsteinsche Frage. Durch den am 15. November
1863 erfolgten Tod des Königs Friedrich VII. von Dänemark kam die An¬
gelegenheit der Herzogtümer Schleswig und Holstein, welcher Preußen und
ganz Deutschland seit langer Zeit ein lebhaftes Interesse gewidmet hatten,
in eine neue Lage. In Folge der früheren Verwickelungen in Bezug auf das
Erbrecht in den Herzogtümern war im Jahre 1852 von den europäischen
Mächten durch das „Londoner Protokoll" eine Vereinbarung dahin getroffen
worden, daß für den Fall des kinderlosen Ablebens des Königs von Däne¬
mark der damalige Prinz Christian von Glücksburg Thronfolger im
ganzen dänischen Reiche (mit Einschluß von Schleswig-Holstein und Lauen-