Full text: Friedr. Bosses kleine braunschweigische Landeskunde für Schule und Haus

Die Gegenden an der Ohre und der Aller. 
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striche (Hörste) gleich Inseln hervorragten. So war der Drömling jahr¬ 
hundertelang eine undurchdringliche Sumpfwildnis, die mit Eichen, Birken, 
Weiden, Erlen und Schilf bestanden war und in der wilde Enten und Gänse, 
Kraniche, Reiher und Störche hausten. Die „Hörste" dienten teils zur An¬ 
legung von Wohnungen, teils als Weideplätze für die Kühe, welche durch die 
Lachen wateten, während ihnen der Hirt im Kahne folgte. Das Holz konnte 
nur im Winter bei Frostwetter gefällt und abgefahren werden, und selbst 
dann brachen Pferde und Wagen oft noch ein und blieben im Schlamme 
stecken. In den Jahren 1778—98 ließ die preußische Regierung in Gemein¬ 
schaft mit Hannover und Braunschweig das Ohrebruch entwässern. Die Ohre 
bekam ein breiteres und tieferes Bett, so daß das Wasser schneller zur Elbe 
abstießen konnte; außerdem wurden 55 Gräben angelegt, die das Wasser des 
Drömlings zur Ohre ableiteten, wodurch das Sumpfland trocken gelegt wurde. 
Auf diese Weise wurden 45 000 ha Ackerland und Wiesen gewonnen, die der 
Staat den Bauern aus den benachbarten Dörfern zu billigen Preisen über¬ 
ließ, so daß zahlreiche neue Bauernkolonien entstanden. Jetzt führt die Eisen¬ 
bahn Berlin-Hannover durch den Drömling, und der Reisende erblickt statt 
der früheren Sumpfwildnis fruchtbare Korn- und Kartoffelfelder und grüne 
Weiden, auf denen wohlgenährte Pferde, Kühe und Schafe grasen. 
An der Ohre liegt (rings von der Provinz Sachsen umgeben) das 
braunschweigische Amt Calvörde. Das ursprünglich brandenburgische Gebiet 
kam 1319 dadurch an unser Land, daß sich Herzog Otto der Milde mit 
Agnes, der Witwe des Markgrafen Waldemar von Brandenburg, verheiratete. 
Es zählt außer dem gleichnamigen Flecken nur neun Dörfer, in deren Umgebung 
Getreide, Kartoffeln und Zuckerrüben angebaut werden, während der Tabaks¬ 
bau nur uoch spärlich vorkommt. — Der Flecken Calvörde (2300 Einw.) 
liegt am sö. Ende des Drömlings rechts der Ohre. Er soll nach einem ge¬ 
wissen Cale benannt sein, der sich zuerst an der Furt ansiedelte, die hier 
vorzeiten durch die Ohre führte. Seit alters ging die Handelsstraße von 
Magdeburg nach Hamburg an dieser Stelle vorüber; daher wurde dort eine 
Burg erbaut, deren Besatzung die Kaufleute schützen und das Sachsenland 
gegen die Einfälle der Wenden sichern sollte. Da der dicke runde Turm der 
Burg aus roten Ziegelsteinen erbaut war, weil es in jener Gegend wenig 
Bruchsteine gibt, so nannten ihn die Leute „den roden Hinrik". Reben dieser 
Burg, von der nur wenige Überreste vorhanden sind, entstand der Flecken. 
Ein Teil von ihm hieß früher Hünersdorf, weil sich hier Wenden angebaut 
hatten, die von den Deutschen „Heunen" genannt wurden. — Ö. vom Amte 
Calvörde erstreckt sich in der Provinz Sachsen (zwischen Gardelegen und Neu¬ 
haldensleben) die Letzlinger Heide, in deren schönen, wildreichen Forsten unser 
Kaiser zuweilen Jagden abhält. 
2. Die Aller entspringt bei Seehausen w. von Magdeburg und fließt 
zwischen dem Lappwalde (l.) und den Höhen von Neuhaldensleben (r.) in 
einem lieblichen Tale in nw. Richtung bis Öbisfelde. Sodann biegt sie nach
	        
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