Full text: Leitfaden für den Geschichtsunterricht in Mittel- und Mädchenschulen

274 IV. Österreichs Kämpfe gegen Franzosen und Türken. 
Waffenstillstand, der es im Besitze alles dessen ließ, was es sich 
widerrechtlich angeeignet hatte. 
Jetzt richtete Ludwig seine Augen ans die Pfalz, die er als 
ein Erbe der Herzogin von Orleans, einer pfälzischen Prinzessin, bean- 
sprnchte. Da endlich traten die Gegner Frankreichs zu einem großen 
Bunde zusammen, dem sich außer dem Kaiser und verschiedenen 
deutschen Fürsten auch Holland, Spanien, England und Schwe- 
den anschlössen. Um dem Angriffe zuvorzukommen, besetzte Ludwig 
1688schnell das linke Rheinufer und ließ dann die Pfalz durch Melac 
entsetzlich verwüsten. Viele Hunderte von Städten und Dörfern am 
Rhein, Main und Neckar sanken in Asche, die Bewohner wurden 
ermordet oder gewaltsam katholisch gemacht, die Frauen und Mädchen 
auf die schändlichste Weise mißhandelt. In Speier wühlte man die 
geheiligten Gräber der Kaiser auf, beraubte sie ihrer Kostbarkeiten 
und zerstreute die Gebeine. Nun erschienen zwar, die Verbündeten 
auf dem Kriegsschauplatze und trieben die Franzosen über den Rhein 
zurück; aber in der Folge waren wieder Ludwigs Heere im Vorteil. 
Doch die erschöpfte Staatskasse und die Aussicht auf einen neuen 
Krieg wegen der spanischen Erbfolge ließen den französischen König 
die Einstellung der Feindseligkeiten wünschen. So kam der Friede 
1697] zu Ryswick (einem Dorfe bei Haag) zustande, und Frankreich 
behielt einen Teil seines Raubes, darunter das Elsaß mit Straß- 
bürg. 
2. Die Türkenkriege. Belagerung Wiens. 
Während Ludwig XIV. im Westen um sich griff, stachelte er die 
Türken auf, dem Kaiser im Osten Verlegenheiten zu bereiten. Schon 
zu Anfang der sechziger Jahre waren sie bis Olmütz vorgedrungen, 
aber von Montecnecoli geschlagen und zum Frieden gezwungen 
worden. Zwanzig Jahre später brachen sie von neuem gegen Öfter- 
reichs Grenzen auf, begünstigt durch einen Aufstand der Ungarn, 
die sich wegen der ungerechten Verwaltung der kaiserlichen Regierung 
und wegen der Verfolgungen, welche die Protestanten erdulden mußten, 
erhoben hatten. Mit einem Heere von etwa 160000 Mann drang 
der Großwesir (erster Minister) Kara Mustafa in Ungarn ein und 
1683] rückte vor Wien. Der österreichische Feldherr, Karl von Lothringen, 
war nicht stark genug, um dem Feinde die Spitze bieten zu können, 
und zog sich zurück, um Verstärkungen zu erwarten. Kaiser Leopold 
verließ in eiliger Flucht seine Hauptstadt, und ein großer Teil der 
Einwohner folgte seinem Beispiele. 
Hätten die Türken die erste Bestürzung benutzt, Wien wäre 
vielleicht erobert worden. So aber gingen die Belagernngsarbeiten
	        
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