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gewähren würde. Aber wie erstaunte er, als er auf ihm lauter
kahle Reiser und etliche gelbe Blätter fand!
Voll Neid und Unwillen lief er zu dem Vater und rief ihm
zu: „Vater, was für einen Baum hast du mir gegeben! Er sieht
ja aus wie ein Besenreis, und nicht einen einzigen Apfel kann
ich von ihm brechen. Du hast den Christian ganz anders bedacht;
befiehl ihm wenigstens, dass er seine Ernte mit mir teile!“
„Mit dir teilen? unnützer Bube,“ versetzte der Vater; „soll
der Fleifsige mit dem Müfsiggänger die Früchte seines Schweisses
teilen? Trage die Strafe für deine Faulheit und Nachlässigkeit
und unterstehe dich nicht, über Ungerechtigkeit deines Vaters zu
klagen! Dass dein Baum eben so gesund ist, wie der deines
Bruders, zeigte die Menge seiner Blüten. Auch steht er in dem¬
selben fruchtbaren Boden; aber nicht die gleiche Pflege wurde
ihm zu teil. Christian vertilgte die kleinste Raupe, die er auf
seinem Baume entdeckte. Du aber liessest Käfer und Raupen die
Früchte schon in der Blüte verzehren.“
V ie die Arbeit, so der Lohn! Weissescher Kinderfreund.
33. Sprichwörter und Denksprüche.
Faulheit ist der Schlüssel zur Armut. — Wer nicht arbeitet,
soll auch nicht essen. — Wer im Sommer nicht mag schneiden,
muss im Winter Hunger leiden. — Müfsiggang ist aller Laster
Anfang. — Die Jugend ist die Zeit der Saat, das Alter erntet
Früchte. Wer jung nicht, was er sollte, that, des Hoffnung wird
zunichte.
34. Untreue schlägt den eignen Herrn.
Als in dem Kriege zwischen Frankreich und Preußen ein Teil
der französischen Armee in Schlesien einrückte, waren auch Truppen
vom rheinischen Bundesheere dabei. Ein deutscher Offizier wurde bei
einem Edelmanne einquartiert und bekam eine Stube zur Wohnung,
in welcher viele schöne und kostbare Gemälde hingen. Der Offizier
schien recht große Freude daran zu haben. Nachdem er etliche Tage
bei diesem Manne gewesen und frenndlich behandelt worden war,
verlangte er von seinem Hauswirte, daß er ihm eins von diesen Ge¬
mälden znm Andenken schenken möchte. Der Hauswirt sagte, daß