Full text: Für Oberklassen (Teil 2, [Schülerband])

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sie alle. — Die Schwalbe hat einen sehr geschickten Hlug. Sie jagt 
im Fliegen, trinkt im Fliegen, badet im Fliegen, und zuweilen ätzt 
sie selbst ihre Jungen im Pliegen. Bald fährt sie im Zickzack durch 
die Wolken, bald im geraden Schuss über das Wasser; jetzt schwingt 
sie sich blitzschnell hinab und ebenso schnell vieder empor. Beim 
Nahen eines Gewitters streicht sie in langen Länien lautlos über 
den Boden hin, die Mücken und Wasserspinnen haschend. — Kaum 
sind die Jungen befiedert, so werden sie von der Alten in der Kunst 
des Fliegens geschult. In einer Strasse, 2wischen zwei Mauern oder 
sonstwo, beginnen die Übungen. Anfangs schiesst die Schwalben- 
mutter in geradem Fluge dabin; die Jungen folgen unsicher, bald 
aber schneller und schneller. Nun durcbschwärmt die Lehrmeisterin 
in Biegungen und Schwenkungen die Luft. Die junge Brut ist 
zuversichtlieh geworden; sie thut es der Alten nach, und nach einigen 
Abenden ist die Probe bestanden. 
Wie schön und weise hat aber auch des Schöpfers Hand sie 
geformt! Der zarte, schlanke Leib mit dem knappen Gefieder, die 
Iangen, spitzen Flügel, der gestreckte, weit gegabelte Schwanz — 
alles erleichtert das Hiegen. Nur die kurzen Fülse vermögen den 
Körper kaum zu tragen, zum 
Zeichen, dass nicht auf dem 
Boden, sondern in den Wolken 
der Weg der Schwalbe sei. 
Ihr Auge ist scharf und blickt 
Rug. Ihre Stimme ist bald 
zwifschernd, bald leise hla- 
gend, bald lustig aufsreischend. 
Die Sauberkeit der Schwalbe 
ist sehr gross. Um so wunder- 
barer ist es, dass sie das Mauerwerk ihrer Nester aus eitel Schmutæ 
und Schlamm aufführt. Mit ihren Stammesverwandten lebt sie ge- 
sellig zusammen, pflegt mit zürtlicher Liebe ihre Jungen und bebütet 
des Nachts plaudernd das Nest. 
Vertrauensvoll nistet die Schwalbe unter dem Dache, ja am 
Herde des Menschen. Darum ist sie diesem ein lieber Vogel. Ihre 
rũührende Sorge für die Jungen, ihr zutrauliches Nisten an den 
Hãusern, ihr munteres Spiel in den Lüften, ihr Kommen und Scheiden 
mit der kommenden und scheidenden Sommerluft: das alles hat sie 
uns wert gemacht. Manche fromme Sage knüpft sich an diesen 
Vogel. Die Leute sagen: „MWo die Sckwalbe nistet, zündet kein 
Blĩtz; wer ihr Nest zertrümmert, zerstört sein eigenes Glück“. 
Im Herbste siebt man die Schwalben sich auf Dächern und 
auf dem Schilfe der Seeen sammeln. Sie verschwinden, kehren aber 
wieder zurũck, als würde ihnen die Lrennung schwer. Endlich brechen 
sie plötzlich auf und ziehen dahin, wo die Sonne wärmer scheint. 
Masius.
	        
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