I
Vorwort.
YYXenn man sich in längst entschwundene Zeiten versetzen will,
so gibt es kein reizvolleres und unmittelbarer wirkendes
Mittel, als ihre Urkunden selbst zu lesen. Aus diesen spricht
unverfälscht das Empfinden jener Tage/ wir hören, was
den Berichtenden am Leben und den Ereignissen des eigenen
Daseins wertvoll erschien. Unvermerkt werden wir in die
Art versetzt, mit der sie aufnahmen, was ihnen entgegentrat;
der andersartige Charakter der Erzählung läßt uns ihr Emp¬
finden nachfühlen. Don all diesen Wirkungen der alten
Urkunden müssen notgedrungen die besten versagen, wenn
nur Übersetzungen dargeboten werden, handelt es sich
vollends um Texte, die einen modernen Deutschen in den
dunklen Erdteil und in mäßig erhellte, weit zurückliegende
Jahrtausende zurückführen — dann sind die Schwierig¬
keiten der Übertragung so groß, daß das gute Gewissen des
Gelehrten ihm oft das waghalsige Unternehmen verbietet.
3ch will dem Leser eine Schilderung der Hindernisse solcher
Übersetzungen ersparen,- er möge nur daran denken, daß bei
den meisten Texten öer Stein, auf Öen sie gemeißelt sinö,
öurch tüinö, tüetter unö Grabschänöer aller Zeiten miß-
hanöelt ist, unö öaß auch öie besten Kenner öer Hieroglyphen
ihnen nicht immer abgewinnen können, was öer Schreiber mit
seinen knappen Worten unö Zeichen hat sagen wollen. Fällt
öieses Büchlein gar einem Ägyptologen in öie hanö, so möge
er öaran öenken, öaß ich für einen Kreis schrieb, öer öurch
Fragezeichen, (Beöankenstriche unö sachliche Zurückhaltung
feine Darstellung von Lebensbeschreibungen gewinnen kann;
dann rvirö er hoffentlich verzeihen, öaß ich zuweilen mehr
geraten als übersetzt unö in jeöer Hinsicht öie Absichten öer
alten Schreiber öem moöernen Leser nahe zu bringen ge¬
sucht habe.
Breslau, im Januar 1912.
Günther Roeöer.
3