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Vierter Zeitraum. Vom Interregnum bis zum Ausgang des Mittelalters.
Auf allen Seiten zog das deutsche Reich unter Friedrichs III.
Regierung den kürzeren und erlitt Verluste. Im Norden wurden
Schleswig und Holstein mit Dänemark vereinigt. Im Osten kam
i486 durch den zweiten Thorner Frieden im Jahre 1466 das westliche
}>reußcii an Polen; das östliche Preußen verblieb zwar dem
teutschen Ordert, wurde aber polnisches Lehen. Ferner eroberten
1453 die Türken im Jahre 1453 Konstantinopel, nachdem weder der
Papst, noch Friedrich III. dem Hilfsgesuche des griechischen Kaisers
Folge geleistet hatten, und bildeten seitdem eine beständige Bedrohung
Europas.
Im Westen des Reiches hatten die Herzoge von Burgund eine
Menge deutscher und französischer Lehnsgebiete in ihre Hände gebracht
lind dadurch eine bedeutende, gefahrdrohende Machtstellung gewonnen.
Der Herzog Karl der Kühne faßte sogar den Plan, zwischen Deutsch¬
land und Frankreich ein mächtiges Königreich auszurichten, das von
der Nordsee bis zum Jura reichen sollte. Anstatt die Angriffe Karls
auf deutsches Gebiet zurückzuweisen, ließ der Kaiser sich an dem Ver¬
sprechen genügen, daß sein eigener einziger Sohn Maximilian des
Herzogs Erbtochter Maria zur Gemahlin erhalten solle. Darauf zog
Herzog Karl der Kühne gegen die Schweizer. Aber bei Granson
und einige Monate später noch einmal bei Mutten1) unterlagen im
1476 {jähre 1476 die burgundischen Ritter den schweizerischen Bürgern und
Bauern. Zuletzt warf er sich auf Lothringen, das seine nördlichen
(niederländischen) und seine südlichen (burgundischen) Besitzungen von¬
einander trennte. Aber von den Schweizern unterstützt, siegte der
1477 Herzog von Lothringen im Jahre 1477 über das burgunbische Heer
bei Nancy (Ranzig)?), wo Karl der Kühne selbst fiel. Nach Karls
-tobe versuchte König Ludwig XI. von Frankreich Burgund an sich
M reißen. Maria vermählte sich jetzt zwar mit dem Erzherzoge
Maximilian, aber dieser vermochte von dem Erbe seiner Gemahlin
nur die niederländischen Gebiete mit großer Mühe gegen die Franzosen
zu behaupten; die burgundischen gingen für immer an Frankreich ver¬
loren. — Nach dem Tode Marias übernahm Maximilian für seinen
und Marias Sohn Philipp den Schönen die Regentschaft.
Das deutsche Reich selbst hat Friedrich III. in seiner langjährigen
Regierung nicht aus seinen Wirren zu retten vermocht. In allen
seinen Teilen herrschten Bürgerkriege und Fehden.
-1519 2. Maximilian I. 1493—1519.
Damit den heillosen und unsicheren Zuständen im Reiche endlich
ciit Ende gemacht würde, verlangten die Stünde — Kurfürsten, Prä-
1) Granson liegt am Neuenburger See, Murten nordöstlich davon.
2) Nancy, deutsch Ranzig, liegt an der Meurthe, einem Zuflusse der oberen Mosel.