Full text: Neue und neueste Geschichte (Theil 3)

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unter Thränen des Königs Hände, welcher ihn umarmte und aus¬ 
rief : „Mein Gott, ich sterbe Zufrieden, weil ich einen solchen Sohn 
zum Nachfolger habe!" Dann traf er Anordnungen für sein 
Leichenbegängnis und bestimmte, daß bei feinem Begräbnisse über 
den Text: „Ich habe einen guten Kampf gekämpfet," gepredigt 
werden sollte. Am 31. Mai 1740 starb er in Geduld und Er¬ 
gebung mit den Worten: „Herr Jesu! Du bist mein Gewinn 
im Leben und Sterben!" Er war nur 52 Jahre alt geworden 
und hatte 27 Jahre regiert. 
Unter seiner Regierung war der Staat bis auf 2145 Qua- 
dratmeileu gebracht worden; er zählte 21/2 Millionen Einwohner; 
das Heer war 83 000 Mann stark. Die Schulden waren gedeckt, 
und es war ein Staatsschatz von 7A/2 Millionen Thalern vor¬ 
handen. Friedrich Wilhelm I. hat das große Verdienst, sein Volk 
wieder an einfaches, gerades Wesen und an Arbeitsamkeit und 
Sitte gewöhnt zu haben. 
9. Der nordische Krieg. 
a. Peler der Große. Im Jahre 1682 kam in Rußland 
der erst zehn Jahre alte Knabe Peter, nachmals der Große ge¬ 
nannt, zur Regierung. Seine Schwester Sophie, eine herrsch¬ 
süchtige, ränkevolle Frau, wollte ihn aus dem Wege räumen, um 
die Regierung dem älteren, schwachsinnigen Bruder Iwan zu¬ 
zuwenden und für denselben zu regieren. Mit Hülse der Leibwache, 
Strelitzen oder Schützen genannt, gelang es ihr, den verhaßten 
Bruder fünf Jahre vom Throne fern zu halten; erst durch große 
Anstrengungen war es ihm möglich, sie niederzuwerfen und die 
Alleinherrschaft anzutreten; Sophie wanderte in ein Kloster. 
_ Peter faßte den Entschluß, sein Land, welches zum großen 
Theile noch Wildnis war und dessen Bewohner in ganz Europa 
als Barbaren galten, durch Einführung europäischer Gesittung und 
Bildung zu heben. Er gab das Reifen ins Ausland frei, übte 
feine Truppen in der Weife, wie es bei den andern Mächten ge¬ 
schah, so daß er bald über ein gutgeschultes Heer von 12 000 
Mann gebot, gab der ganzen Staatsverwaltung andere Formen 
und richtete sein Augenmerk aus die Gründung einer Seemacht. 
Da aber Rußland außer dem weißen Meere fein Meer besaß, 
jo mußte er an die Erwerbung von Küstenländern denken; es 
gelang ihm auch, den Türken Asow zu entreißen und freie Schiff¬ 
fahrt auf dem schwarzen Meere zu erlangen. Nachdem er einen
	        
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