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Onno Klopp, Roland. 
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Feldschlacht besiegte er seine Feinde und eroberte eine Stadt nach der 
anderen. Nur Saragossa, wo der König Marsilie herrschte, leistete hart¬ 
näckigen Widerstand. Da dieser aber fürchtete, die Stadt auf die Dauer 
nicht halten zu können, so nahm er seine Zuflucht zu einer List. 
Er schickte Boten in das Lager des Kaisers und ließ ihm sagen, er 
und alle Fürsten des Landes seien gesonnen, sich zum Christentume zu be¬ 
kennen; Karl möge darum Saragossa nicht mehr mit den Schrecken des 
Krieges bedrohen, sondern heimziehen in das Land der Franken 
und eine Versammlung seiner Großen nach der Stadt Aachen aus¬ 
schreiben; dorthin werde Marsilie selber mit den Fürsten seines 
Landes kommen, um feierlich die Taufe zu empfangen. Auf diese 
Botschaft hin berief der Kaiser die Großen des Reiches, die ihn auf 
seiner Heerfahrt begleiteten, zu sich, um sich mit ihnen zu beraten. 
Da erhob sich vor allen zuerst der edle Held Roland und sprach: 
«Herr Kaiser, glaubet diesen Boten nicht! Eine List ist es, von Marsilie 
ersonnen, uns alle zu verderben!" Ganz anders aber sprach Rolands 
Stiefvater Genelun. „Nichts als der Ehrgeiz ist es," sagte er, „was 
unsere Jugend treibt. Niemals kann sie des Streitens und Kämpfens 
zur Genüge haben. Mein Rat ist, wir nehmen den Frieden an, der 
uns geboten wird." Andere wieder meinten, Karl solle einen seiner 
Helden als Boten nach Saragossa senden, damit er des Königs Sinn 
durchschaue und zu erfahren suche, ob er im Ernst geneigt sei, sich zum 
Christentum zu bekennen. Dieser Rat gefiel dem Kaiser, und nun 
machte Roland den Vorschlag, seinen Stiefvater hinzuschicken; denn dieser 
sei weise und redegewandt, dazu auch furchtlos. Genelun widerstrebte 
diesem Vorschlage nach Kräften; denn er glaubte, sein Stiefsohn wolle 
ihn verderben; aber da der Fürst einverstanden war, konnte er sich zu¬ 
letzt dem Aufträge doch nicht entziehen, und mit siebenhundert seiner 
Mannen machte er sich in Begleitung der Königsboten auf den Weg. 
Unterwegs sann der ungetreue Mann nach, wie es ihm gelingen könnte, 
Unheil über den Stiefsohn zu bringen. Als er nun nach Saragossa kam, 
tat er nicht, wie ihn der Kaiser geheißen hatte, sondern wurde in 
seinem unsinnigen Hasse gegen Roland zum schändlichen Verräter. Er 
versprach dem Könige, dafür zu sorgen, daß Karl heimkehre, wenn er 
ihm seinen Racheplan gegen Roland ausführen helfe. Das sagte Marsilie 
mit Freuden zu, und nun gab ihm Genelun einen nichtswürdigen Rat. 
„Sende Boten in alle deine Lande," sprach er, „und versammle ein 
großes Kriegsheer! Dann bringe dem Kaiser Geisel und Schätze dar, 
wie deine Boten versprochen haben! Karl wird alsdann auf meinen 
Rat in sein Reich zurückkehren, seinen Neffen Roland aber hier zurück¬ 
lassen, damit er das Land verwalte. Ihn mußt du mit deinem Heere 
darauf vernichten." Der König hörte diese Worte gern; schnell wurden 
die Schütze herbeigeschafft und auch die Geisel beschieden, die Genelun 
begleiten sollten. Als dieser nun in das Lager des Kaisers zurück-
	        
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