6 Der österreichischen Stände Manifest 1619
reicher durch spanische Härte zu schwächen und willkürlicher anzutasten.
Aber weil es wenigstens nur ein Anfang war, war es geratener, den
Wechsel der Zeiten zu ertragen, als gänzlich an Wiederherstellung der
früheren Freiheit zu verzweifeln. Die Stände gaben um so mehr nach, als
die Provinzen zuversichtlich hofften, indem um dieselbe Zeit verschiedene
Meinungen in bezug auf die Religion auftauchten und die Freiheit der
öffentlichen Ausübung durch Verordnung des heiligen Römischen Reichs der
Willkür der Fürsten anheimgestellt worden war, daß Nachsicht in poli¬
tischen Angelegenheiten in Gewissensfreiheit reichlichen Ersatz finden könne.
Allerdings war die kurze Regierung des Kaisers Maximilian II. gelinder; noch
härter aber als die der früherenIahrhunderte war die des Kaisers Rudolf II....
Matthias war gut von Natur; da er sich aber oberster Räte bediente,
die schon vorher der Staatsverwaltung nicht ohne öffentliche Klage vorge¬
standen hatten oder doch einer gerechten Verwaltung nicht mehr gewachsen
waren: so konnte er den Lid der Treue von feiten der Stände Unter- und
(Dberöfterreichs nicht eher erhalten, als bis er sich vorher verpflichtet hatte,
den Zustand der Verwaltung zu reformieren und vornehmlich sowohl die
Religions- als die politische Freiheit zu bewahren. So wurde denn der
Vertrag vorn Jahre 1608 abgefaßt. . . .
Der Kaiser Ferdinand II. aber, welcher sich die volle Regierungsgewalt,
die vor geleisteter Huldigung selbst Albrecht nicht ohne Zustimmung der
Stänöe zustand, bald auch das (Erbfolgerecht von diesem (Erzherzoge unter
Zustimmung und Beirat des Spaniers, aber mit Übergehung der Stände
Unter- und Oberösterreichs anmaßte, ordnete alles nach seinem Gutdünken
und nach den Ratschlägen von Ausländern an, riß alles an sich, gab den
provinzialen Befehle, griff wider den willen der Stände Österreichs eine
Ursache zum Kriege gegen die Böhmen und Mähren auf, eignete sich zur
Führung desselben den Schatz des verstorbenen Matthias allein zu, welcher
nach dem Erbrecht an Albrecht, aber während des Interregnums der Ver¬
waltung und dem Schutze der Stände gehörte, verwendete die Staatsein¬
künfte, hob viele Mannschaften aus und traf große Vorbereitungen zum
Kriege, führte, wo es ihm genehm war, zum größten allgemeinen Schaden
das Heer durch Österreich, verlangte von den Ständen Unterstützung an
(Belb und Mannschaften, indem er allen feinen Schutz versprach, schützte
aber die provinzialen keineswegs gegen die Gewalttätigkeiten der kaiser¬
lichen Offiziere und Soldaten, noch weniger diejenigen, welche sich zur
evangelischen Lehre bekannten. .. .
So hat Kaiser Ferdinand, ohne rechtmäßiger Nachfolger zu fein, ohne
gerechte Vollmacht, ohne rechtmäßige Übertragung der Gewalt, gegen das
Beispiel der vorfahren, ohne Befragung der Stände, ohne daß noch eine
Huldigung geleistet und abgenommen worden war, in einem Zeitraum
von kaum zwei Jahren Unterösterreich, ... verwüstet bis zur Einöde und
Entweichung der Bewohner. . . .