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tvird. An einem für diesen Zweck ordentlich vorgearbeiteten Mate¬
rial hat es bis jetzt noch gefehlt.
Aber auch der reifere Leser — wie ich mir ihn denke und
wünsche — wird sicherlich damit einverstanden fein, wenn ihm hier
neben den Erzählungen von Ariegen, Schlachten, Friedensschlüssen,
diplomatischen Verhandlungen u. dergl. auch das wichtigste aus
der Verfaffungsgefchichte des alten deutschen Reichs und der Einzel-
staaten, aus der (ße)chichte deutschen Städte- und Bürgertums,
deutscher Volkswirtschaft in Ackerbau, Handel, Gewerbe, deutscher
Erfindungen, deutschen Familienlebens, deutscher Kunst und Wissen¬
schaft u. a.- m. vorgeführt wird.
Unsere Zeit und ganz besonders der Geist unseres Volkes ist
vorzugsweise den friedlichen Bestrebungen auf den verschiedenen
Gebieten des innern Staats-- und Volkslebens zugewendet — trotz
der gewaltigen (Erfolge, die wir nach außen in diesen letzten Jahr¬
zehnten errungen haben, fjiat doch auch unser ehrwürdiger "Kaiser
Wilhelm in dem Momente höchsten Ruhmesglanzes die goldenen,
etvig denkwürdigen Worte gesprochen: „3ch will allzeit Mehrer des
Reichs fein nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an
den Gütern und Gaben des Friedens, auf dem Gebiete na¬
tionaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." Sollte es
nicht angezeigt fein, auch bei Betrachtung der Vergangenheit diesen
friedlichen Seiten unseres deutschen Volkslebens mehr Aufmerksam¬
keit als bisher zu schenken, namentlich aber das nachwachsende Ge¬
schlecht vorzugsweise darauf hinzuweisen?
Ein zweites, worin sich diese „Deutsche Volks- und Kul¬
turgeschichte" von den bisherigen Werken ähnlicher Art unter¬
scheidet , ist die Anordnung des Stoffes. Abweichend von
der gewöhnlichen, sogenannten, „erzählenden", Form des Ge-
Ichichtsvortrags, welche die geschichtlichen Begebenheiten nur nach
ihrer Zeitfolge aneinanderreiht, habe ich versucht, dieselben so zu
gruppieren, daß ihr innerer Zu fammenhang überall möglichst
klar hervortrete. So allein wird es möglich, die Geschichte aus einem
bloßen Gedächtniswerk von Zahlen, Namen und Daten zu einetn Gegen¬
stände wirklichen Verständnisses und Interesses zu machen.