Erstes Kapitel
Einwanderung der Germanen in das heutige Deutschland.
iönttfchi wchriftftcllcr STcicitus, ber gegen Gubc bey ersten
Jahrhunderts nach Christi Geburt sein Buch über bie Lage, bie Sitten
unb bic Völkerschaften Germaniens schrieb (gewöhnlich kurzweg als
„Germania" citiert), spricht darin bie Meinung aus: bie Germauen
müßten wohl Ureinwohner ihres Landes sein. „Denn," sagt er,
„wer möchte Asien ober Afrika ober Italien mit Germanien vertan-
jehen, einem Lande ohne Schönheit, mit rauhem Klima, unerfreulich
bem Beschauer wie dem Bebauer, erträglich nur bem, bessen Vaterland
es ist?"
'Bo richtig biesc Ansicht zu sein scheint, so zwingen uns boch bie
neueren Forschungen auf dem Gebiete ber vergleichenben Sprachwissen¬
schaft, bic ursprüngliche Heimat ber Germanen anberswo zu
suchen unb eine erst später erfolgte Einwanderung derselben in die
Gegenden, wo wir sie im Anfange ihrer eigentlichen Geschichte finden,
d. H. in bas heutige Deutschtanb, anzunehmen. Denn diese
Forschungen haben cs so gut wie außer allem Zweifel gestellt, Oaß
bic deutsche Sprache ein Zweig eines größeren Sprachstammes ist
Zu dem nicht bloß das Slawische, bas Keltische, bas Griechische, das
Lateinische, sondern auch das Persische, das Indische (das sog. „Saus-
frit ) gehören. Man hat daher allen diesen Sprachen den gemein¬
samen Namen der „indogermanischen", auch (nach einem älteren
Namen jener orientalischen Völker) der „arischen" gegeben. Wenn
nun aber Germarren, Slawen, Kelten, Griechen, Römer, Perser, Indier
eine nach ihren Grnnbzügen (ihren Wortwurzeln ?c.) gemeinsame
Sprache hatten, so muß man schließen, baß sie auch einen gemein-
,amen Ursprung gehabt haben, baß sie früher einmal ein einziges Volk
gewesen finb unb nur erst später sich getrennt haben. Denn es scheint
beinahe undenkbar, daß zwei oder mehrere durch weite Länder unb