Friedrich III., der Gute. 135
Am liebsten weilte Friedrich Wilhelm int Familienkreise unb er¬
lebte in demselben manche frohe Stunde in Berlin unb Potsdam.
Nahe bei letzterer Stadt liegt das Cut Borustedt, das der kroupriuz-
licheu Familie gehörte. Von Zeit zu Zeit besuchte der hohe Gutsherr auch
die Borustedter Schule. Da traf er nun eines Tages den Lehrer in tiefer
Betrübnis, erkundigte sich nach der Ursache seiner Trauer und erfuhr, daß
die Mutter des Lehrers, die in Schlesien wohnte, sterbenskrank sei. Sofort
erteilte er dein Lehrer die Gcrlciitbiiis abzureisen init den -Lboiten. „(Sehen
Sie, die Schule werde ich übernehmen. Eilen Sie nur, daß Sie Ihre gute
Mutter womöglich noch lebend antreffen!" Kaum hatte der Lehrer das
Schulzimmer verlassen, als der Kronprinz seinen Degen abschnallte und
den Leseunterricht fortsetzte. Nun kam die Geographiestunde. „Bringe
einmal den Globus her!" sagte er zum ersten Knaben. Tiefer aber
antwortete: „Wir haben keinen Globus; der Lehrer nimmt immer einen
dicken Gummiball!" Nun benutzte auch der Kronprinz den Gummiball;
als aber der Lehrer von feiner Reise zurückkam, fand er einen schönen
Globus vor, den der Kronprinz der Schule geschenkt hatte.
Wie in der Volksschule, so erschien der Kronprinz oft unb gern
in den Gymnasien und Seminarien Berlins; denn er liebte die Wissen¬
schaften. Mehr noch interessierte er sich für die Künste, und sein kö¬
niglicher Vater ging huldreich ans die Neigung seines Sohnes ein und
ernannte ihn zum Protektor der Königlichen Museen.
Doch wie friedliebend der Kronprinz auch seiner Natur nach war,
und wie sehr er die Werke des Friedens liebte, die Glanzpunkte seines
Lebens sind kriegerische Erfolge, gewesen.
Im Jahre 1866, im sogenannten deutschen Kriege, erntete er als
Feldherr die ersten Lorbeeru. Nach der Schlacht bei Königgrätz, die
er zur siegreichen Entscheidung gebracht, überreichte ihm sein königlicher
Later den Lrden pour le merite, der nur für persönliche Tapferkeit
aus dem Schlachtfelde verliehen wird. Tie Siege im deutfch-franzö-
stfchen Kriege brachten ihm das Eiserne Kreuz I. Klaffe und die höchste
militärische Rangstufe, die Würde eines Feldmarfchalls, die bis
dahin noch niemals einem Mitgliede des königlichen Hauses ver¬
liehen worden war.
Nach dem Frieden von 1871 legte er die Kriegsrüstung ab und
widmete sich wieder den Werken des Friedens. Als ein echter Sohn
feiner Mutter war er redlich bemüht, den Armen zu helfen und wohl¬
zuthun, so weit seine Mittel und sein Einfluß reichten. Es galt ihm
als die schönste Feier seiner silbernen Hochzeit, daß ihm und seiner
Gemahlin zu diesem Tage eine Festgabe des deutschen Volkes im Be-
4. Beteili-
<1iingTau den
Kriegen 1866
[- und 70.
ü. Fried ens-
thätigkeit.