§. 80. Allgemeines über die Bevölkerung. 239
man sie in der Geschichte verfolgen kann, sind ihre Wanderungen rück¬
läufig geworden, d. h. von Westen nach Osten gerichtet gewesen. So
zogen sie z. B. seit 400 über die Alpen, um die Etrusker aus der Po¬
ebene zu vertreiben, die nun zur Gallia cisalpina wurde. Noch weiter
ging jener merkwürdige Zug, welcher zahlreiche Gallierschaaren, nach
abenteuerlichem Umhertrciben in den Süddonauländern und Griechen¬
land, nach Kleinasien (275) führte, wo sie Phrygien eroberten, bald
aber gräcisiert wurden (Pauli Brief an die Galater). Gegenwärtig
sind die Celten nur noch im nordwestlichen Frankreich, in Wales und in
einem Theile von Irland und Schottland rein erhalten, an allen übrigen
Stellen romanisiert und germanisiert. 5) Die Slaven, im Alterthume
von dem mittleren Rußland aus über die Karpathenlünder und Polen
verbreitet, dann aber beim Vorrücken der Germanen ihnen nach Westen
folgend, so daß zuletzt die Elbe, das Fichtelgebirge und der Böhmer¬
wald hier ihre westliche Grenze wurden, bis die rückwärtsfluthende Welle
der deutschen Völkcrbewegung seit den Tagen König Heinrichs sie wieder
weiter nach Osten gedrängt hat und noch drängt. Seit dem Anfang
des Mittelalters haben sie sich auch südwärts ins Ostalpenland und die
Balkanhalbinsel bis nach Morea hin ausgebreitet. . Der eigentlickie
Stammname ist der der Wenden (Winden) und Serben (Sorben).
5) Die .Germanen, die anscheinend zuletzt eingewandcre Völkersamilie,
erscheinen anfänglich an dem Schwarzen Meere, wo die den Persern
nah verwandten Skytben vor ihnen verschwinden, und gleichzeitig, mit
den Slaven vermischt wohnend, im Gebiete der Weichsel bis zur Ostsee
und in Norddeutschland bis an den Rhein. ,Von hier -aus sind sie
theils über die jütische Halbinsel, theils über die Ostsceinscln in Skandi¬
navien, später in Britannien eingedrungen. Ihre Ausbreitung in der
Völkerwanderung ist bekannt. Spätere Rückwanderungen durch Colonie-
gründungen in den ungarischen Ländern und Rußland werden weiter unten
erwähnt werde». Die germanischen Völker zerfalle» in zwei Gruppen:
a) Skandinavier, deren ursprünglich gemeinsame Sprache, das Alt¬
nordische, nur noch in Island und auf den Färöer gesprochen wird,
während auf dem Continente sie sich in die beiden Arme des Schwedischen
und Dänischen gespalten hat. Ersteres wird außer in Schweden auch
noch in Finland, letzteres auch in dem so lange mit Dänemark politisch
verbundenen Norwegen gesprochen, d) Deutsche, die sich wieder in
Niederdeutsche und Oberdeutsche tbeilen. Das Niederländische und Vlämischc
gib nur Dialekte des Niederdeutschen. Das Englische ist ebenfalls seiner
kämmatik nach eine niederdeutsche Sprache, aber in den Sprachschatz
sind in Folge der Normanneneroberung viele französische Vocabeln, in
Ist neueren Zeit zahllose Fremdwörter aus allen Sprachen eingedrungen,
si) Die den Slaven nab verwandte lettische Familie, deren äußerst
wohlklingende Sprachen durch Bewahrung vieles alterthüinlichen,
weil ihre Träger nie zu einer wah'rhaMcschichtlichen Thätigkeit erwacht sind,
s. S. 87, von allen europäischen ^Sprachen der alten Ursprache und
dem Sanskrit am nächsten stehen.* Sie haben ihre Sitze an der Ostsee
nie aufgegeben, aber hart bedrängt von Slaven und Deutschen, sich