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ringt von Kindern und Frauen und Tonnen. Jene schneiden mit einem Messer
jedem einzelnen Fische die Kehle auf und reißen geschickt und rasch mit dem
Finger die Gedärme aus seinem Leibe; die Tonnen nehmen die Todten, nach¬
dem sie gesalzen sind, aus; Böttcher (Kübler) schließen die Särge, und auf
Schiffen und Wagen wandert nun der Todte durch alle Welt. Woher der
Häring eigentlich kommt, ob aus den Gegenden des nördlichen Eismeers, oder,
was wahrscheinlicher ist, aus der Tiefe des Meeres überhaupt, weiß man nicht genau.
Die eigentlichen Wanderthiere, die zu einer bestimmten Zeit gedrängt
werden, große Reisen zu unternehmen, findet man nur in der Klasse der Vögel
und der Fische. Unter den Fischen aber ist der Häring am wanderlustigsten.
Der Hauptzug bricht sehr frühe auf, theilt sich aber bald in mehrere Arme. Der
westliche trifft schon im März in den Buchten Islands ein. In der Nordsee
theilt sich der Schwarm wieder, und bald wimmelts in allen Buchten von dem
Grunde des Meeres bis herauf zu der Oberfläche, so daß diese von den empor¬
ragenden Rücken gekräuselt erscheint. Die in dem Gedränge abgeriebenen
Schuppen sehen die Fischer schon aus weiter Ferne blinken; sie verrathen die
Stelle, wo das Netz auszuwerfen sei, das oft hundert Schritte lang ist und
zwischen zwei Schiffen niedergelassen wird. Der Laich wird von den Häringen
nicht selten in einer solchen Menge ins Meer ergoffen, daß es davon sich trübt
und die Netze wie mit einer Rinde überzieht. Welch eine ungeheure Menge
von Häringseiern hat das Meer jedes Jahr auszubrüten, da ein einziger dieser
Fische 20 bis 25,000 Eier legt! Ist die Laichzeit vorbei, welche bei den zuerst
Angekommenen bis in den Brachmonat sich erstreckt, so ziehen diese weiter;
andere Schaaren kommen an ihre Stelle, um zu laichen, und verschwinden nach
kurzer Zeit, und so geht es fort bis in den Winter. Aber wie werden im Laufe
des Jahres die Reihen gelichtet! Milliarden sehen die Heimat nicht wieder.
Der Mensch ist es aber nicht allein, der dem Häringe nachstellt; auch das größte
aller Thiere, der Walfisch, macht Jagd auf ihn. Mit wilder Lust verfolgt er
das geängstete Thier, und jagt es in die bewohnten Buchten hinein, als hätte
er mit dem Menschen ein Bündniß geschloffen. Sein Riesenleib ist mit kleinen
Portionen nicht zufrieden, und nicht unbedeutend mag die Zahl der Häringe
sein, die sein Schlund alljährlich verschluckt. So vielen Feinden gegenüber
schützt den Häring allein seine ungeheure Vermehrungskraft vor der Vertilgung
seines Geschlechts, wenn auch Milliarden zu Grunde gehen. Sein Fang und
Verkauf beschäftigt in Holland über 200,000 Menschen und verschafft diesem
Lande jährlich eine Einnahme von 20,000,000 Thalern. Der Erste, welcher
die Kunst geübt haben soll, mit Seesalz diesen Fisch zu erhalten, war ein Nie¬
derländer mit Namen Beukelszoon. Es wird erzählt, daß Kaiser Karl V. die¬
sem Manne zu Ehren auf dessen Grab einen Häring verzehrt habe.