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— Doch sieh, was führt man heut' für Gladiatoren,
Der Schaubegier des lieben Pöbels vor?
Nicht Parther sind, nicht Perser heut' erkoren,
Nicht blonde Jünglinge, am Rhein geboren;
Heut' ist's ein ungewohnter Fechterchor.
Sind hier nicht Greise, die zum Kampf sich rüsten?
Nicht Mägdlein, hold ihr Haupt in Scham gesenkt?
Nicht Frauen, mit dem Säugling an den Brüsten?
Merk' auf, o Rom, heut' sterben deine Christen,
Die Neros Güte dir zum Schauspiel schenkt!
Still zieh'n sie ein im wallenden Gewände,
Mit sanftem Schritt, gleich einer Priesterschar;
Sie steh'n im Rund, nun fallen ihre Bande,
Sie knieen nieder in des Zirkus Sande,
Ihr Psalm ertönet fremd und wunderbar.
Sie grüßen ihren Cäsar, doch nicht jenen,
Der in die Hand sein finstres Haupt dort stützt;
Nein, einen, der umjauchzt von Harfentönen,
Hoch ob der Erde blutigen Arenen
Als Friedensfürst in goldnen Wolken sitzt.
„Heil, Christe, dir; dich grüßen, die da sterben
Kurz ist der Kampf und ewig ist der Lohn.
O selig, wer um deine Krone werben,
O selig, wer dein himmlisch Reich darf erben;
Nimm unsere Seelen auf, du Gottessohn!"
Sie schau'n sich um — und schauen mit Entzücken
Den edlen Zeugenkreis, der sie umringt.
Nicht jenen, der mit mordgewohnten Blicken
Jni weiten Zirkus, voll bis zum Erdrücken,
Wie eine Riesenschlange sie umschlingt —
Nein, Engel sind's, die sich herniederneigen,
Ein lichter Kreis, ein strahlenvoller Kranz;
Mit Kronen winken sie, mit Palmenzweigen,
Kopf drängt an Kopf und Reigen sich an Reigen,
Bis er verschwebt im goldnen Himmelsglanz.
Numid'scher Leu, nun schüttle deine Mähne,
Die Lämmer Christi schrecket nicht dein Zorn;
Spring an aus deinem Käfig, o Hyäne,
Du Königstiger, wetze deine Zähne,
Zermalme kecklich Christi Weizenkorn! —