Die Ausbreitung des bayrischen Stammes nach Südosten.
Nr. 2.
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] Kolonisiert.
Die Wohltat einer engern Verbindung mit dem gröfseren
Frankenreich zeigte sich bereits 796, als es dem Heerbann Karls
d. Gr. gelang, endlich das Reich der räuberischen Avaren zu zer¬
trümmern. Auch die Zerschlagung des Grofsmährenreiches (894)
und die Zurückdrängung der Magyaren (933 u. 955) geschah durch
die gröfseren Heere Deutschlands. Bayern allein hätte sich dieser
östlichen Feinde nicht zu erwehren vermocht.
Die Erfolge dieser Kriege kamen aber noch insofern in be¬
sonderem Mafse den Bayern zustatten, als nun der verheerte und
verlassene Osten frei und für die Ausbreitung des bayrischen
Stammes verfügbar wurde. Überraschend ist seine jetzt erfolgende
Ausdehnung und deshalb auch begreiflich, dafs die deutschen Könige
immer mehr bemüht waren, das Herzogtum nicht zu grofs und zu
selbständig werden zu lassen. Die sächsischen Kaiser trennten 976
die Mark Österreich (unterhalb der Enns) von Bayern ab und
gaben dieselbe erblich den Babenbergern. Noch wichtiger war die
Ablösung des Herzogtums Kärnten (Steiermark, Kärnten, Krain,
Istrien und oberitalische Gebiete) und selbst der Nordgau, der
den eingedrungenen Slawen wieder abgenommen und verdeutscht
wurde, (Bistum Bamberg 1012) ging den Bayern damals verloren.
Aber auch das verkleinerte Bayern schien den Saliern noch
zu gefährlich. Konrad H. und Heinrich HL wollten es einziehen.
Als dies auf die Dauer nicht ausführbar war, gab man
unter Heinrich IV. das Land, das seine Selbständigkeit
nicht verlieren wollte, an Otto von Nordheim, einen
sächsischen Grofsen, und dann, als es 1070 diesem
wieder genommen, an Welf IV. aus altbayrischem Ge-
schlechte. Die Übertragung an die Welfen wurde aber
besonders verhängnisvoll.
Bei der Bedeutung, die das fortwährende Wachsen
Bayerns für das Reich hatte, lohnt es sich, die Aus¬
dehnung des bayrischen Stammes zu verfolgen.
Unter kräftiger Mitwirkung der Bischöfe — die
Passauer arbeiteten von der Ennsburg und die Regens¬
burger von der Wieselburg aus — drang die Kolonisation,
indem sie mit dem Christentum auch deutsches Wesen
brachte, seit 955 rasch die Donau hinab, errang sich
namentlich die Feste Melk, die lange Zeit die Residenz
der Babenberger blieb, und gelangte dann bis an die
Leitha, die seit 1043 als feste Grenze gegen die Ungarn
gelten konnte. Ein Strom zweigte sich links ab; der¬
selbe ging die Kamp hinauf und gewann in den Klöstern
Altenburg und Zwettl wertvolle Stützpunkte. Nach
Böhmen und Mähren hinein drang diese Bewegung
nicht, da die tschechische Kirche bereits seit 1000
fester geordnet war. Stärker aber war der Strom, der
von den Markgrafen von Styre geleitet, sich aus der
Ostmark rechts abzweigte, von Steyer aus die Enns
hinaufdrang und, unterstützt durch die Salzburger
Kolonisation, die auf alter Römerstrafse über die Rad¬
städter Alpen in das Lungau vorging, bald eine ganz
neue Mark, die Steiermark, einnahm. Ein alter Weg,
der von hier weiter über Friesach und St. Veit nach
Italien führte, lockte nun auch bald die deutsche Ein¬
wanderung in das Gurktal und nicht minder auch in
das Gelände des nahen und üppigen Tales der Lavant.
Erst später, als Wien Hauptstadt geworden, bekam für
den nordsüdlichen Verkehr der Weg von hier über
den Semmering nach Italien, als der bequemere, die
gröfsere Anziehungskraft, und selbstverständlich ent¬
standen nun auch auf dieser östlichsten Linie deutsche
Klöster und Hospize (Heiligenkreuz, Semmering, Vorau,
Graz, Seckau u. a.), die überall von der mittleren Drau
bis an die Donau deutsches Wesen fest einbürgerten.
So gewann der bayrische Stamm im S. O. für die
deutsche Kultur ein Gebiet, das gröfser war, als der
eigene ursprüngliche Besitz, und herrliche Blüten
sollten sich in diesem jungen Lande bald entfalten.
Dafs sich die Kolonisation verhältnismäfsig leicht
vollzog, liegt an der Gemeinsamkeit der weltlichen
und kirchlichen Arbeit, an der höheren Kultur der
Deutschen, die auch in wirtschaftlichen Dingen, z. B.
in der Landwirtschaft, weit überlegen waren, dann auch
an der Einheitlichkeit der Organisation und nicht zu¬
letzt an dem guten Beispiele der selbstlosen Kloster¬
brüder. Dazu war der Besitz des waldreichen Landes, das
vorwiegend noch herrenlos war, auch kaum bestritten.
Dafs die Kolonisation dann aber ganz zum Stehen
kam, liegt an der veränderten Stellung der Kirche,
die seit 1000 auch bei den Nichtdeutschen eine feste
Organisation erhalten. Da um diese Zeit ein Erzbistum
Prag für die Tschechen und ein anderes in Gran für die
Magyaren errichtet wurden und aufserdem schon länger
ein italisch-slowenisches Patriarchat in Aquileja seine
Grenzen bis hart an die Drau ausdehnte, wurden die
deutschen Pioniere im Norden, im Osten und im Süden
immer mehr von geordneten slawischen Gebieten um-
fafst und damit des Beistandes der Kirche, als des besten
Bundesgenossen, leider dauernd beraubt. Diese Lage
ist bis auf den heutigen Tag dieselbe geblieben. Noch
jetzt erstrecken sich fast in derselben Ausdehnung die
Österreicher, die Nachkommen jener bayrischen Ein¬
wanderer, halbinselartig und an allen Seiten bedroht
in den slawisch-magyarischen Osten hinein.