Baden und Württemberg in neuester Zeit.
Nr. 14.
Frankfurt
Baden 1789.
Hinzuerworben.
Wiesbaden
Offenbach
Aschaffenburg
Simmern \ 1Mainz
^“^IPr.v. Preussen
(K. Wilhelm)
I Württemberg 1789.
Hinzuerworben.
Frankreich 1871.
Darmstadt
Wurzburg
Oppenheim
Rrenznach
Eeichsland Elsafs-Lothringen.
Trier
Bensheim
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Luise v. Darmstadt
' Karl Ludw. f 1801
Karl Friedrich f 1811
Gräfin Hochberg
Ludw. I. f 1830
' Elisabeth Fried. Dorothea Karl f 1818^ Steph. Beauharnais * Ludw. f 1858 Friedrich f 1907
Kolaerin v. Rugsl., f 1826 Königin t. Schweden, f 1837
Leopold I. i 1852
Pr. gob. u. 11812 Alex.f 1817 Luise (Wasa) Josephine (Hohenzoll.) Maria (Hamilton)
Baden nach 1813.
A. Die Unterstützung Napoleons hatte Baden viel Gut und Blut
gekostet. Aber die Verbindung, die durch die Verheiratung des Kur¬
prinzen mit Napoleons Stieftochter Stephanie Beauharnais noch fester
gemacht, hatte auch Titel und Mittel gebracht. 1803 war der Mark¬
graf Kurfürst geworden und 1806 Grofsherzog (oder Grosherzog wie in
Hessen). An Land hatte Karl Friedrich das Fünffache und unter Mit¬
rechnung Baden-Badens, das 1771 geerbt, sogar das Zehnfache erhalten.
Baden zählte jetzt 975 000 E.
B. Aber wie künstlich gefügt war dieser modernste Staat!
Jede gemeinsame geschichtliche Erinnerung fehlte! An den beiden Seiten
des Stammlandes lagen bischöfliche Gebiete, im Norden die von Speyer
und im; Süden die von Strafsburg. An das Speyersehe schlossen sich
nordwärts Pfälzer, an das Strafsburger südwärts österreichische Lande
an. (Ortenau, Breisgau, Nellenburg). Dahinter kamen die reichsunmittel¬
baren Fürsten, im Norden Leiningen und Löwenstein, im Süden Fiirsten-
berg. Allen diesen wurde es schwer, sich dem kleinen Baden unterzu¬
ordnen. Zu den politischen Gegensätzen kamen die kirchlichen. Zwei
Drittel des Grofsherzogtums waren katholisch, zumal im Süden, wo der
Schwerpunkt des Landes lag und wo man, da Österreich und Rom ver¬
wandter schienen, auf den protestantischen ältesten Teil des Landes
nicht wenig herabsah. Auch im äufsersten Norden, wo das Volk noch
fleifsig nach Walldürn wallfahrtete, fühlte der Franke sich dem jungen,
modernen Staate fremd. Der Versuch, durch eine Verfassung dem Ganzen
Einheit zu geben, führte erst recht zu endlosen Kämpfen.
Und zu den allgemeinen Schwierigkeiten kamen noch besondere.
Der Grofsherzog Karl (1811/18), der seinem Grofsvater Karl Friedrich
folgte; war ein unentschlossener Schwächling, dessen zwei Söhne schon
vor ihm gestorben. Da auch sein Oheim und Nachfolger Ludwig
(1818/30) kinderlos blieb und die ebenbürtigen Zähringer mit ihm aus-
starben, ging die Thronfolge auf die Kinder Karl Friedrichs aus der
zweiten Ehe mit der nicht gleichstehenden Gräfin Hochberg über. Diese
Folge wollte aber Bayern nicht anerkennen und wenn möglich die Pfalz
mit Mannheim und Heidelberg wiedergewinnen. Fast schien eine gewalt¬
same Auseinandersetzung nötig zu werden, Preufsens und Rufslands Ein¬
treten retteten aber das Zusammenbleiben des Bestandes. (Kaspar Hauser.)
Andere Verlegenheiten entstanden aus den kirchlichen Wirren.
Der Generalvikar von Konstanz, Wessenberg, kämpfte energisch für eine
nationale katholische Kirche, die auch eine freundliche Annäherung
und Verständigung mit den Evangelischen anstrebte. Diese Bemühung,
die sich an den nationalen Aufschwung der Freiheitskriege anlehnte,
wurde aber später vollständig durch streng katholische Richtungen ver¬
eitelt, die von Rom und Wien aus gefördert wurden und im Konkordate
1859 ihren gröfsten Erfolg hatten. Erst nach langen Kämpfen wurden
diese Gegensätze gemildert.
Aber wenn auch dem Grofsherzogtum die geschichtliche Zusammen¬
gehörigkeit fehlte, so hatte es doch eine geographische. Die Grenze
im Osten war durch den Kamm der Berge gegeben und die im Westen
durch das Wildwasser des Rheines und die politische Grenze. Das lang
gestreckte Land hatte dabei einen ausgesprochenen gleichartigen Cha-
Friedr. II. f 1797 Friederika v. Brandenburg-Schwedt
(Auguste v. Braunschw.) Friedr. I., König (Charlotte v. Grofsbrit.) Sophie
König 1806, t 1816 ^ (G. Kais. Paul y. Russl.)
Elisabeth ^
(Gem. Kais. Franz y. Österr.)
Friedr. Wilh. I. f 1864
Karl 1. f 1891
Katharina (Gem. Jerome) f 1885
Paul
Wilhelm ü., König isu.
rakter als Durchgangsland und war so recht für die Vermittlung des
nordsüdlichen Verkehrs berufen. Seine landschaftlichen Reize liefsen
einen grofsen Teil der Fremden hier gerne haltmachen. Heidelberg,
dessen Universität der Grofsherzog Karl Friedrich aufs neue reich aus¬
gestattet (Carolo-Ruperta), wurde ebenso wie Freiburg gern und oft
besucht; auch die zahlreichen Bäder, namentlich Baden-Baden, seit dem
Rastatter Kongrefs (1799) den Franzosen bekannt und darnach immer
berühmter, übten eine wachsende Anziehungskraft. Doch verbreiteten
sich aus dem Verkehr bei der leicht erregbaren Bevölkerung auch fremde,
namentlich französische Anschauungen und Entwürfe.
Ein Hemmnis für den Verkehr waren zeitweilig die Zollschranken
gewesen. Das änderte sich 1836, als Baden dem Zollverein beitrat. Der¬
selbe Nebenius, der hierbei sich verdient machte, veranlafste den Bau
der ersten gröfseren Staatsbahn Deutschlands, die (1844) mitten durch
das Land bis fast nach Basel gebaut wurde und in Verbindung mit
vielen neugebauten Landstrafsen nicht blofs den grofsen Durchgangs¬
verkehr, sondern auch das Ineinandergewöhnen der Badener wesentlich
förderte. Gleichzeitig erhielt Mannheim seinen Rheinhafen, der die sonst
so stille Stadt zu so grofser Blüte bringen sollte. Die oft sehr wilden
Flüsse Oos, Kinzig, Dreisam wurden reguliert und für die Holzflöfserei
wie für den Wiesenbau viel Gutes geleistet.
Den meisten Gewinn für das Zusammenleben Badens hätte die
Verfassung bringen sollen, die 1818 zustande kam und Prefsfreiheit
sowie viele andere Rechte gewährte. Es entwickelte sich aber, während
der Grofsherzog Ludwig (1818/30) konservativer dachte und sich durch
Metternich den bureaukratischen Blittersdorf als Minister empfehlen liefs,
aus den Kämpfen der Opposition ein weitgehender Liberalismus (Rotteck,
Welcker), der zuletzt unter Einwirkung der Nachbarländer zu einem
wüsten Radikalismus ausartete. Eine besonnene Richtung (die Heppen-
heimer), die 1847 zur Pflege des nationalen Gedankens (bei Bassermann in
Mannheim) die „Deutsche Zeitung“ gründete und Mitglieder wie Gervinus,
Mathy, Häusser u. a. hatte, wurde von den Extremen Struwe, Hecker,
Fickler u. s. w. vollständig verdrängt und eine demokratische Republik
das Ziel der verblendeten Massen. Zur Gewalt ging man 1848, bald nach
dem Ausbruch der Pariser Februarrevolution, über und zwar zuerst im
Süden. Hier zog Hecker mit 50 Mann von Konstanz nach Donau-
eschingen, alle Wehrhaften zum Beistand aufrufend. ln Donaueschingen
wich er vor Württemberger Trappen ins Wutachtal nach der Schweizer
Grenze zurück, nahm dann einen Anlauf nach Freiburg, floh aber von
Bernau wieder ins Wiesetal und liefs sich dann bei Kandern von den
Soldaten des verräterisch erschossenen Friedr. v. Gagern in die Schweiz
zurückjagen. Mit solchen kindischen Versuchen arbeitete man 1848! —
Viel ernster war die Bewegung 1849, als Friedr. Wilhelm IV. die Kaiser¬
krone ablehnte, und nun auch das Heer vom Grofsherzog abfiel. Unter
dem Polen Mieroslawski sammelte sich zur Verteidigung der Neckarlinie
das Revolutionsheer im Norden. (15—16 000 Mann.) Dasselbe wurde, aber
durch die in drei Kolonnen heranrückende, von dem Prinzen (späteren
Kaiser) Wilhelm geführte stärkere Armee mit Umschliefsung bedroht,
bei Waghäusel-Wiesenthal besiegt und dann sofort völlig zersprengt.
Diese rasche Entscheidung war gewifs eine Wohltat für Baden;
dafs aber die Zuneigung zu Preufsen oder auch nur die Achtung vor
demselben dadurch gewachsen, kann nicht gesagt werden. Seit dem
Tage von Olmütz glaubte man in den breiten Massen Süddeutschlands von
Preufsen gering und von Österreich ungewöhnlich hoch urteilen zu dürfen.
So mufste der Grofsherzog Friedrich (1852/), trotzdem er eine Tochter
König Wilhelms zur Gemahlin hatte, dem allgemeinen Drucke und der
geographischen Lage des Landes Rechnung tragend, gegen Preufsen 1866
das Schwert ziehen. Die preufsischen Erfolge änderten dann aber völlig
die Sachlage. 1867 wagte Baden bereits eine Militärkonvention mit
Preufsen zu schliefsen und zugleich den engsten Anschlufs, der möglich,
anzubieten. (Roggenbach.) Die badischen Truppen haben darauf 1870/71
wesentlich dazu beigetragen, Strafsburg und das übrige Elsafs zu befreien,
den grofsen, deutschen Armeen die linke Seite zu decken und endlich
den letzten Vorstofs der Franzosen bei Beifort heldenhaft zurückzuweisen.
C. Nachdem Elsafs-Lothringen zurückgewonnen, verbindet jetzt eine
Reihe von Brücken und Bahnen die Einwohner Badens mit denen der
ändern Flufsseite der oberrheinischen Tiefebene. — Den allgemeinen Auf¬
schwung, der den des benachbarten Elsafs erheblich übertrifft, verraten
folgende Zahlen:
Baden
1816:
1 000 000
1866:
1 400 000
1914:
2150000
Karlsruhe. . . .
»
14 000
30 000
n
140 000
Mannheim . . .
»
19 000
»
30 000
224000
Freiburg . . . .
11 000
ii
18 000
ii
90000
Elsafs-Lothr. .
ii
1 300 000
ii
1 600 000
jj
1875000
Strafsburg . . .
ii
—
ii
83 000
.189000
Mühlhausen . .
ii
—
ii
48 000
ii
95 000
Württemberg.
A. Grofs ist Württemberg unter Friedrich I. geworden. (1797/1816)
Durch seine Erziehung nach dem Muster Friedrichs d. Gr. und später
durch den Aufenthalt bei der Kaiserin Katharina II. hatte er sich an ein
absolutes und rücksichtsloses Regiment gewöhnt. Seinen Neigungen
waren die Familienverbindungen zu Hülfe gekommen. Denn da die
Kaiser Franz in Wien und Paul in Petersburg seine Schwäger wurden
und der König von England sein Schwiegervater, war seine Stellung in
den mafsgebenden Kreisen eine starke. Dieser verwandtschaftliche Rück¬
halt wurde später durch die Verheiratung seiner Tochter Katharina mit
König Jerome auch nach Frankreich hin erweitert, damit zugleich aber
auch ein Anschlufs an Napoleon veranlafst, der den „klügsten Herrscher
Europas“ so lange an Frankreich kettete, wie Napoleon — im Glücke war.
Württemberg wuchs 1803 um geistliche Besitzungen und Städte. 1805
gewann Friedrich aus der Hülfe gegen Österreich die vorderöster¬
reichischen Gebiete am Neckar (Rottenburg). 1806 wurden die reichs-
unmittelbaren Grafen und Fürsten untergeben, wie Waldburg, Löwen¬
stein, auch Hohenlohe, der bei Jena Napoleon bekämpft hatte. 1809 endlich
kam als letzter Zuwachs das altangesehene Ulm- hinzu, das nächst Nürn¬
berg den ausgedehntesten Landbesitz hatte. Somit reichte Württemberg
östlich bis an die bayersche Grenze; es war an der Donau und dem
Bodensee beteiligt und doch wohl abgerundet geblieben. Diesen Länder-
.bestand wufste der König auch 1813 dadurch festzuhalten, dafs er sich den¬
selben vor seinem Übertritt zu den Verbündeten in Fulda bestätigen liefs.
Auch im Range war Friedrich inzwischen gewachsen. 1803 war er
Kurfürst geworden und 1806 „mit voller und ganzer Souveränität“ sogar
König. Damit war er keinem mehr untergeordnet, ausgenommen —seinem
Protektor Napoleon. Für diesen zogen 15 000 Mann nach Rufsland, von
denen 1000 wiederkehrten. Auch der Ersatz von 12000 M. ging grofsen-
teils für Frankreich verloren; nur ein kleiner Rest trat unter Normann
bei Leipzig zu den Verbündeten über.
B. Das waren gewaltige Opfer. Aber König Friedrich wufste trotz¬
dem seine Stellung zu sichern und die neuen Untertanen zum Ge¬
horsam zu zwingen. Die früher reichsunmittelbaren Grafen und Fürsten
mufsten hinfort wenigstens 3 Monate in Stuttgart zubringen. Bei
Geringeren wurde der Widerstand mit anderen Mitteln gebrochen.
(Mergentheim.) Auch sonst herrschte der König ebenso schaffensfreudig,
wie er seine Person geltend machte; wirtschaftliche Unternehmungen
liefsen schon in dem Namen den Gebieter erkennen. Aus Buchhorn am
Bodensee Wurde Friedrichshafen, bei Freudenthal entstand ein Eisenwerk
Friedrichsthal, am Neckar eine Saline Friedrichshall.
Schwierig war die Verfassungsfrage. Genau die Hälfte
der Einwohner war neu hinzugekommen. Diese waren bei Ulm ober-
schwäbisch-bayrischer, in Hall und Mergentheim fränkischer,
in Heilbronn Pfälzer Herkunft. Anspruch auf das „alte, gute
(ständische) Recht“ der Alt württemberger hatten diese Neu-
württemberger jedenfalls nicht. Anfänglich wurden sie sogar
getrennt von Ellwangen aus regiert, und doch sollten sie nun
ein einheitliches Ganzes bilden. Ein weiterer Gegensatz lag
in der Konfession. Die Hinzugekommenen waren fast ganz
katholisch, die Alten aber ebenso evangelisch. Vorher waren
die Untertanen vorwiegend Bauern, deren treue Ergebenheit
sprichwörtlich geworden, jetzt waren zahlreiche Städter mit
ihrem „sakrementschen reichsstädtischen Hochmut“ (Reut¬
lingen, Efslingen) hinzugetreten, und die mediatisierten
Fürsten, die sich dem Landesherrn fast gleich dünkten
(Waldeck-Limpurg), erleichterten die Verwaltung auch nicht.
Dieser Vielheit eine, Einheit und insbesondere eine Ver¬
fassung^^) gegeben zu haben, istdasVerdienst WilhelmsI.
(1816/64). Er hatte 1814 mit Auszeichnung bei Montereau ge¬
kämpft und sich aufserdem schon als Kronprinz im Gegen¬
sätze zu dem gebieterischen Vater durch Einfachheit und
Sparsamkeit einen guten Namen erworben. An der von ihm
vermittelten Verfassung gefiel namentlich, dafs sie durch
Vereinbarung zustande gekommen und nicht einseitig ver¬
ordnet war. Aber heftige Kämpfe gab es natürlich trotzdem
(Uhland, Pfizer, Römer), und doch fühlte man sich in Württem¬
berg schon deshalb glücklicher, weil anderswo die Reaktion
viel ärger war. Das Land, das durch die Freiheitskriege ver-
liältnismäfsig wenig gelitten, erholte sich rascher, zumal der
Bauernstand, für dessen Arbeit der König sich besonders
bemühte. (1818 Cannstatter Volksfest eingerichtet.) So ent¬
wickelte sich in Württemberg, das an sich schon zum Parti¬
kularismus neigte, ein Selbstgefühl, das wohl grundsätzlich
für ein grofses deutsches Vaterland sich erwärmen konnte,
aber die durch die praktischen Verhältnisse sich empfeh¬
lende Leitung Preufsens doch nicht wollte. Selbst der Zoll¬
verein war 1833 vielen Liberalen nicht recht. Einer Unter¬
ordnung unter Preufsens militärischer und diplomatischer
Führung (Nationalverein) widerstrebte man durchaus. Diese
Abneigung wurde genährt durch eine Unterschätzung
Preufsens, so sehr dasselbe auch durch die Erfolge des Zoll¬
vereins seine Befähigung zum Führen nachgewiesen. Auch
nach dem Schleswig-holsteinischen Kriege i. J. 1864 dachte
man sich die Bezwingung Preufsens nicht allzu schwer.
(Vae victis!) Erst die Ereignisse des Jahres 1866, u. a. der
Kampf bei Tauberbischofsheim, wo auch die tapferste Wider¬
wehr der Württemberger fruchtlos blieb, änderte das Urteil
er Massen, und zwar um so leichter, als nicht eine Ab¬
tretung an Land, wohl aber das Schutz- und Trutzbündnis
vom Sieger verlangt wurde. Dasselbe sollte sich bald be¬
währen. An dem Kriege 1870/71 hatte Württemberg bei
Wörth, Sedan und namentlich bei Champigny vor Paris ruhm¬
reichsten Anteil, ebenso aber auch an dem Erfolge, der die
Westgrenze Deutschlands näher nach Paris hin legte und in
Strafsburgs Feste und der von Metz den deutschen Rhein
dauernd schützte. Auch Württemberg und seinen alten Reichs¬
städten kam dieser Friedensschutz sichtlich zustatten.
1816
Württemberg . . 1 400 000 E.
Stuttgart 30 000 „
Efslingen .... —
Heilbronn .... —
Ulm -
1866
1 760 000 E.
48 000 „
16 000 „
14 000 „
23 000 „
1914
2 450 000 E.
310 000 „
38 000 „
45 000 „
59 000 „