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in dem Vertrage von Verdun die von Lyon, anderntheils
des häufigen Wechsels des politischen Besitzes, dem die ein¬
mal bestehenden kirchlichen Grenzen nicht immer nach¬
träglich angepasst wurden. Mitunter zwar geschah dies,
besonders wenn es sich um ganze Diöcesen handelte, wie
man z. B. die Diöcese Cambray von Rheims losgelöst und
zu Köln geschlagen hatte, häufig aber auch nicht, wie z. B.
die Grenzen der Provinzen Gnesen und Prag im XV. Jahr¬
hundert längst nicht mehr diejenigen Polens und Deutsch¬
lands an dieser Stelle sind.
No. 8.
Süd- und West-Europa beim Tode Karls des Kühnen
im Jahre 1477.
Das Jahrhundert von 1378 bis 1477 bringt innerhalb
Deutschlands grosse Veränderungen im territorialen Besitz¬
stand mit sich, die sich an den Aufschwung der Häuser
Habsburg, Wettin, Hohenzollern und Burgund
knüpfen. Mit dem Abtreten des luxemburgischen Geschlechtes
geht die deutsche Kaiserkrone wieder auf die Habsburger
über, ohne dass dieselben vorläufig jedoch dauernd auch
zur Herrschaft über die luxemburgischen Länder gelangt
wären, da im Jahre 1458 die Böhmen sowohl als die Un¬
garn einheimische Grosse auf ihren Thron erheben. Das
Kurfürstenthum Brandenburg ist bereits im Jahre 1415 in
die Hände der fränkischen Hohenzollern gelangt, ein
Ereigniss von, wie sich später gezeigt hat, weltgeschicht¬
lichen Folgen. Einige Jahre später erlangt auch das wettin-
sche Geschlecht der Markgrafen von Meissen mit dem
Herzogthum Sachsen die Kurwürde und mit ihr jene be¬
deutsame Stellung, welche ein Jahrhundert später durch die
Ereignisse der Reformation noch erhöht werden sollte. —
Von glänzender Machtstellung endlich ist der burgun¬
dische Staat, der sich diessèits und jenseits der Reichs¬
grenze aus deutschen und französischen Lehnsstücken ge¬
bildet hat, aber mit dem Tode Karls des Kühnen wieder
zerfällt. Indem Ludwig XI. von Frankreich die französischen
Lehen Burgunds mit der Krone vereinigt, entscheidet er
endgiltig das Uebergewicht derselben über das französische
Vasallenthum.
Der äussere Umfang des Reiches ist nicht mehr der¬
selbe wie im Jahre 1378; im Osten ist Westpreussen an
Polen verloren gegangen, Ostpreussen seiner Lehnsherr¬
schaft unterworfen, so dass dem deutschen Orden nur noch
Kurland, Livland und Esthland als freier Besitz verblieben
ist. Im Süden hat die Republik Venedig ihre Herrschaft
über einen bedeutenden Theil Ober-Italiens ausgedehnt und
im Südwesten gehört die Grafschaft Provence, im Besitze
eines französischen Geschlechtes, wenn auch Frankreich noch
nicht einverleibt, eigentlich nur noch dem Namen nach dem
Reiche an. Das allmähliche Abbröckeln entfernter Glieder
vom zerfallenden Reichskörper wird kaum noch bemerkt.
Auf der pyrenäischen Halbinsel bildet das Königreich
Granada den auf Kosten der Mauren gross gewordenen
christlichen Reichen Portugal, Castilien und Aragonien gegen¬
über den letzten Rest saracenischer Herrschaft, deren Tage
bereits gezählt sind. Aragonien ist auch im Besitze des
hohenstaufischen Erbes Sardinien und Sicilien, während sich
Neapel, seit 1442 gleichfalls in den Händen der Aragonier,
•im Jahre 1458 wieder als eigenes Königreich unter einer
Nebenlinie abzweigt.
Im Nordwesten sehen wir Irland und Wales jetzt ganz
der englischen Herrschaft unterworfen, während Schott¬
land seine Selbständigkeit, allerdings in harten Kämpfen,
während des ganzen späteren Mittelalters siegreich behaup¬
tet hat. Der früher so ausgedehnte englische Besitz in
Frankreich ist bis auf Calais wieder verloren gegangen. —
Die drei nordischen Königreiche (Dänemark, Nor¬
wegen und Schweden) sind durch die bekannte calmarische
Union* vom Jahre 1397 in Personalunion verknüpft.
Das Königreich Polen, mit dem mächtigen sich
weit nach Süden hin erstreckenden Grossfürstenthum
Littauen unter demselben Herrscher verbunden, hat in
Folge seiner dadurch erlangten Uebermacht, wie schon be¬
merkt, der souveränen Herrschaft des deutschen Ordens in
Preussen ein Ende gemacht.
Im Südosten ist den osmanischen Türken allmählich
die ganze Balkanhalbinsel und schliesslich im Jahre 1453
die alte Hauptstadt des oströmischen Reiches, Konstantinopel,
in die Hände gefallen, nur eine Anzahl griechischer Inseln
und wenige Küstenpunkte des Festlandes (nebst Dalmatien)
befinden sich noch im Besitze der Venetianer.
No. 9.
Europa im Jahre 1519.
Diese Karte zeigt im Ganzen gegen die vorhergehende
nur geringe Veränderungen, sie hat den Zweck, die all¬
gemeine politische Gestaltung des Erdtheils im Beginne der
neuern Zeit zur Anschauung zu bringen. Die Reichsgrenze
ist so ziemlich dieselbe geblieben, nur dass jetzt die Graf¬
schaft Provence, nach dem im Jahre 1487 erfolgten Aus¬
sterben des Hauses Anjou, der französischen Krone anheim¬
gefallen ist. Die ehemals burgundischen Reichsland.e
sind im Besitze des Habsburgers Karl V., des Enkels Karls
des Kühnen, der auch die Königreiche Castilien, welchem
das 1492 eroberte Granada einverleibt ist, Aragonien und
das 1512 erworbene Navarra beherrscht. Zu Aragonien
gehört auch das 1503 eroberte Königreich Neapel, welches
nun über 200 Jahre ein Theil der grossen spanischen
Monarchie bleibt.
Im Osten zeigt uns das Blatt das wiedergeborene Russ-
land, das, seit 1480 von der Tatarenherrschaft befreit, be¬
reits durch Unterwerfung des tatarischen Chanates Kazan
und Eroberungen gegen Littauen begonnen hat, seine Herr¬
schaft nach Süden und Westen hin auszudehnen. — Auch
das osmanische Reich hat sich durch die Eroberung
Aegyptens und die Erlangung der Oberherrschaft über die
Moldau und die Walachei noch weiter vergrössert, während
die maurischen Staaten Nord-Afrika's noch unabhängig da¬
stehen.
No. 10a und 10b-
Deutschland bei der Thronentsagung Kaiser Karls V.
im Jahre 1556.
Die Eintheilung Deutschlands in zehn Kreise wird be¬
reits auf dem Reichstage zu Köln im Jahre 1512 angebahnt,
kommt aber erst unter Karl V. auf den Reichstagen zu
Worms 1521 und Nürnberg 1522 zur Ausführung; der bur¬
gundische Kreis wird erst auf dem Reichstage zu Augsburg
im Jahre 1548 endgiltig zu Stande gebracht. So mancherlei
Segensreiches aus dieser Eintheilung des Reiches erwachsen
ist, so unvollkommen war sie. Nicht allein dass man, ganz
abgesehen von den italienischen Reichsländern, weite Land¬
schaften, die Lande der böhmischen Krone und der Eid¬
genossen, und zahlreiche kleinere Territorien ausgeschlossen
liess, auch die ungeheuerliche geographische Gestalt der
meisten Kreise beweist, dass es eigentlich nur die Stände
waren, die man getheilt hatte, nicht das Reichsgebiet als
solches. v
Was den territorialen Besitzstand des Reiches anlangt,
so hat derselbe durch die Einverleibung der Grafschaften
Artois und Flandern in den burgundischen Kreis — nach
ihrer Befreiung von der französischen Lehnsherrschaft durch
Karl V. — eine nicht unwesentliche Erweiterung erhalten.
Innerhalb des Reiches hat der habsburgische Haus-