Full text: Carl Wolff's historischer Atlas

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No. 13. 
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Das Königreich Polen nebst dem westlichen Russ¬ 
land im Jahre 1772, mit Angabe der Theilungslinien 
der Jahre 1772, 1793 und 1795. 
Die unglückseligen inneren Zustände des einst so mäch¬ 
tigen und von seinen Nachbarn gefürchteten Königreichs 
Polen führen im Jahre 1772 zu seiner ersten Theilung 
zwischen den benachbarten Reichen Russland, Oesterreich 
und Preussen. Die darauf folgenden Theilungen vom Jahre 
1793 zwischen Russland und Preussen und vom Jahre 1795 
zwischen eben diesen Staaten und Oesterreich vollendete den 
Untergang der „Republik". Von den drei Theilungsmächten 
hat Russland den grössten, Oesterreich den bevölkertsten, 
Preussen aber vielleicht den für dasselbe unentbehrlich¬ 
sten Theil davongetragen, da durch das neuerworbene 
Westpreussen die so wünschenswerthe territoriale Verbindung 
Ostpreussens mit der westlichen Hauptmasse der Monarchie 
hergestellt ist. 
No. 14 
Deutschland beim Ausbruch de 
ij* französischen 
volution im Jahre 1789. 
Re- 
Die Karte zeigt uns den territorialen Zustand Deutsch¬ 
lands, wie er sich durch die vielen Jahrhunderte des spä¬ 
teren Mittelalters und der neueren Zeit hindurch heraus¬ 
gebildet hat und wie er bald darauf durch die in Folge der 
französischen Revolution hereinbrechenden Stürme in einer 
Weise umgestaltet werden sollte, wie dies durchgreifender 
seit der Auflösung der Gauverfassung nicht geschehen war. 
Die Vergrösserung des preussischen Staates inner¬ 
halb Deutschlands ist nach der Erwerbung von Lingen, 
Tecklenburg und Moers zu Anfang des Jahrhunderts auch 
unter Friedrich II. durch diejenige Ostfrieslands und eines 
Theiles der Grafschaft Mansfeld stetig fortgeschritten. Von 
viel grösserer Bedeutung freilich und Preussen zur Gross¬ 
machtstellung verhelfend ist — abgesehen von der schon 
erwähnten Erwerbung polnischer Landestheile — die Er¬ 
oberung Schlesiens. Durch den Breslauer Friedensschluss 
vom Jahre 1742 geht Schlesien als souveränes Herzog¬ 
thum in den Besitz Friedrichs des Grossen über; indem 
es aufhört, ein böhmisches Kronland zu sein, scheidet es 
auch aus der bisherigen mittelbaren Verbindung mit dem 
deutschen Reiche aus und nimmt fortan zu demselben die¬ 
selbe Stellung ein, die schon vorher das souveräne Herzog¬ 
thum und spätere Königreich (Ost-) Preussen inne hatte. — 
Im Uebrigen ist besonders der grosse vereinigte Länder¬ 
besitz des wittelsbachischen Hauses bemerkenswerth, 
indem durch das Aussterben der bairischen Linie desselben 
Baiern, dessen Kurwürde nach den Bestimmungen des west¬ 
fälischen Friedens nun wieder auf die Pfalz übergeht, frei¬ 
lich ohne das an Oesterreich abgetretene Innviertel, dem 
Kurfürsten von der Pfalz zufällt. Die wittelsbachische Linie 
Pfalz-Zweibrücken sollte bald darauf, nach dem Abgehen 
auch der kurpfalzischen Linie, das gesammte Erbe in ihre 
Hand vereinigen. 
No. 15. 
Deutschland nach der Auflösung des deutschen 
Reiches im Jahre 1806. 
Der politische Zustand Deutschlands und der an¬ 
grenzenden Länder, wie er auf diesem Blatte dargestellt 
wird, ist das Ergebniss zahlreicher seit dem Beginn der 
französischen Revolution eingetretener Veränderungen, be¬ 
sonders derjenigen, die sich durch den Vollzug des Friedens 
von Lunéville im Jahre 1801 den Reichsdeputationshaupt- 
schluss vom Jahre 1803 und die Stiftung des Rheinbundes 
im Jahre 1806 ergaben. 
Das tausendjährige deutsche Reich ist in Trümmer ge¬ 
gangen, dafür haben sich Frankreich und Oesterreich 
zu erblichen Kaiserreichen erklärt. Die Republik Venedig 
ist verschwunden und der grössere Theil ihres Gebietes 
nach kurzer Zugehörigkeit zu Oesterreich in dem neuen 
napoleonischen Königreiche Italien aufgegangen. Die um 
Genf, Wallis und das Veltlin verkürzte Bundesrepublik der 
Schweiz ist zur einheitlichen helvetischen Republik um- 
geschafFen und die ehemalige Republik der vereinigten 
Niederlande zeigt sich uns verkleinert als napoleonisches 
Königreich Holland. Frankreich, die Urheberin aller 
dieser Veränderungen, ist seit dem Frieden von Lunéville 
im Besitze der lang ersehnten Rheingrenze, aber schon hat 
es seinen Einfluss durch Gründung des Rheinbundes auf 
einen grossen Theil des südlichen und westlichen Deutsch¬ 
lands ausgedehnt. Den Staaten dieses Rheinbundes, beson¬ 
ders den süddeutschen, sind zahlreiche vorher selbständige 
Territorien zum Opfer gefallen, und zwar auf keinem an¬ 
dern Wege als auf dem der Anwendung nackter Gewalt. 
Dagegen zeigen sich in Norddeutschland noch wesent¬ 
lich dieselben Besitzverhältnisse, wie sie aus dem Reichs- 
deputationshauptschluss von 1803 hervorgegangen sind, nur 
dass das Kurfürstenthum Hannover jetzt zu Preussen ge¬ 
hört. Die Ausdehnung dieses Staates, wie sie die Karte 
zeigt, ist diejenige, welche die Monarchie Friedrich Wilhelms III. 
unmittelbar vor dem grossen Zusammenbruch auf den 
Schlachtfeldern von Jena und Auerstedt erreicht hat. 
NO. 16. 
/ 
Mittel-Europa zur Zeit der höchsten Machtentfaltung 
Frankreichs im Jahpe 1812.*) 
Die „natürlichen" Grenzen Frankreichs bilden nicht 
Rheinstrom und Alpen, sondern sie werden willkürlich nach 
der jeweiligen französischen Machtentwickelung bestimmt; 
das beweist die politische Gestaltung Europas im Jahre 1812. 
Auf die grossartigste Weise hat Frankreich seine Macht ent¬ 
faltet. Das französische Reich selbst erstreckt sich im 
Norden bis an die Ostsee, im Süden bis zum Garigliano, 
ausserdem ist es im Besitze der sogenannten illyrischen Provin¬ 
zen ; durch Personalunion mit dem Kaiserreiche ist das König¬ 
reich Italien verbunden. Dazu sitzen Napoleoniden auf 
den Thronen von Spanien, Neapel, Westfalen und 
Berg. Der Franzosenkaiser ist Protector der Schweiz 
*) Das Gebiet der Republik Danzig wird auf den meisten histo¬ 
rischen Karten fälschlich in der Form der polnischen Exclave von 
1772 bis 1793 wiedergegeben. Nach Artikel 19 des Tilsiter Ver¬ 
trages jedoch wurde dem Freistaate nur ein Gebiet von zwei Stunden 
"Weges Halbmesser um die Ringmauer zugestanden, was später inso¬ 
fern erweitert wurde, als man der Stadt ein Territorium von zwei 
Stunden Weges Halbmesser von den äussersten Punkten 
ihrer Festungswerke zulegte. Das Gebiet der Republik war 
demnach, wie es hier auf der Karte angegeben ist, kreisrund.
	        
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