fullscreen: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

76. König Ludwigs I. Jugendzeit und Lehrjahre. 
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In jenen liederreichen Gauen umschlingt, wie Eichendorff singt, der 
Frühling Haus und Hof und Wald nnd alles Gewöhnliche; die Märchen der 
Vorzeit werden in der Brust lebendig, ein Hauch der Romantik weht überall. 
Aber auch an ernster Mahnung fehlt es nicht. In diesen gesegneten Tälern 
wütete ein räuberischer Feind, die Heidelberger Schloßruine erinnert ein¬ 
dringlich genug an Melae und seine Horden. 
Solche Tage der Trauer kehrten für die Pfalz gerade damals zurück. 
Der Krieg gegen Deutschland fand im April 1792 in der Pariser National¬ 
versammlung berauschte Zustimmung und bald ergossen sich die streitenden Heere 
über Pfalzbayern, das aus lauge Zeit Schauplatz des Krieges blieb. 
Da eine Beschießung der Stadt Mannheim in drohender Aussicht stand, 
mußte die herzogliche Familie abermals nach Darmstadt flüchten. Der Kriegs¬ 
tumult brachte die düstersten Bilder vor die Augen des Knaben. In den 
Straßen drängten sich die Flüchtlinge, in ihrem Geleit zogen Unruhen, Schrecken, 
Verwirrung ein, hinter ihnen loderten alle Greuel eines furchtbaren Krieges 
auf. Des Prinzen königlicher Pate starb auf der Guillotine. „In welcher Zeit," 
rief damals Johannes Müller aus, „zu welchen Aussichten hat Gott uns 
bestimmt! Rasende, wie einst im Tschilminar der trunkene Sohn Philipps, laufen 
mit Fackeln in der Hand in dem alten Gebäude der Staatsverfassungen umher; 
da brennt ein Turm auf, dort bricht eine Zinne herab, bald sinkt alles in 
den Staub!" 
Die Wehrkraft des Deutschen Reiches zeigte sich von der kläglichsten Seite. 
Das gegenseitige Mißtrauen der beiden deutschen Großmächte lähmte alle 
Unternehmungen, die Regierungen der kleineren Staaten waren ohne Kraft 
und Energie. Feindlicherseils zeigte die Jakobinerphrase Custiues: „Krieg den 
Palästen, Friede den Hütten!" bald ihren wahren Wert: die Neufranken 
pflanzten in der Pfalz ihre Freiheitsbäume nur zwischen Ruinen. 
Schon im Jahre 1796 verlor der fürstliche Knabe seine Mutter. Vou 
ihr war noch zur Leitung des Unterrichts ein einfacher Landpfarrer berufen 
worden, Joseph Anton Sambnga, dessen Lehre und Beispiel von dauerndem 
Einfluß auf den Zögling war. Sambnga hielt sich über seine Unterrichts¬ 
stunden und die dabei geführten Gespräche ein Tagebnch, das nach seinem 
Tode dnrch Sailer veröffentlicht wurde. Diese Aufzeichnungen beweisen, daß 
der Lehrer nicht bloß als frommer sondern auch als denkender Mann das 
Bildungswerk förderte. Er bezeichnet selbst als Hanptprinzip seiner Methode, 
es sollte im Schüler bei allem das Selbstdenken gefordert werden, und diese 
Anregung in frühester Jugend ging nicht verloren. Das Streben sich selbst 
von allem Erforderlichen zu überzeugen tritt bei den Regierungshandlungen 
des nachmaligen Königs überall hervor. 
Es kann dem Kunstmäzen Ludwig als Hauptverdienst zugerechnet werden, 
daß bei allen seinen großartigen Plänen zur Förderung der Kunst ein metho¬ 
discher Zusammenhang zu erkennen ist, der nicht selten bis in die Studien
	        
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