Full text: [Teil 3 = Kl. 6, [Schülerbd.]] (Teil 3 = Kl. 6, [Schülerbd.])

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161. Der Große Kurfürst auf der I)irfcbjagd. 
Von Georg I)iltl. 
Preußische Königsgeschichten. Bielefeld und Leipzig 1875. 8. 47. Gekürzt. 
m Zwielichte des Morgens glänzte der breite See, der, 
von hohen Tannen und Föhren umkränzt, sich inmitten 
des Grunewalder Grundes ausdehnte. Die Sonne 
kämpfte den Nebel nieder, die Aussicht wurde freier, 
und die ersten Strahlen der Morgensonne beleuchteten 
die Mauern, Türmchen und Giebel des altertümlichen 
kurfürstlichen Jagdschlosses Grunewald. Im Hofe desselben beginnt es 
lebhaft zu werden; Hundegebell, Rufen von Stimmen, Pferdegetrappel 
erschallt, und schmetternder Hornruf gibt das Signal zum Aufbruch zur 
Jagd. Das Haupttor öffnet sich, und heraus reitet zunächst ein Troß 
von Knechten in grünen Wämsern. Sie tragen starke Saufedern, blatt¬ 
artig geformte Spieße, die zum Abfangen des Ebers dienen. Ihnen folgt 
eine Jagdgesellschaft von zwölf Personen. Die meisten Ritter tragen 
reiche Kleidung, sie erscheinen vornehmer als der, der in ihrer Mitte 
reitet. Er trägt ein graues Wams mit Hornknöpfen, an den Beinen 
enganliegende hohe Stiefel aus Rindsleder, auf dem Haupte einen runden, 
schwarzen Filzhut mit schmaler Krempe. Seine breite Gestalt zeugt von 
Kraft, das Antlitz mit der stark gebogenen Nase und die blitzenden Augen 
verraten Hoheit, Würde und Entschlossenheit. Dieser Reiter im einfachen 
Jagdkleide ist Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst von Brandenburg, 
seine Begleiter sind Edelleute des kurfürstlichen Hofes. 
In langen Zügen begannen die Reiter die erfrischende Morgenluft 
einzusaugen, die Pferde wieherten, die Hunde kläfften und ließen sich nur 
mühsam von den Jagdknechten an den langen Stricken halten, mit denen 
sie gekoppelt waren. Bald war der Zug auf einem großen, freien Platze 
angekommen, die Hunde wurden losgekoppelt und stürzten sogleich in den 
Wabd hinein. „Jetzt nach — flink!" rief der Kurfürst, dessen Antlitz 
vor Vergnügen strahlte. Die Gesellschaft teilte sich in drei Gruppen, 
während die eine nach links, die andere nach rechts im Bogen abschwenkte, 
ritt der Kurfürst mit wenigen Begleitern geradeaus. So hoffte man den 
Hirsch einzutreiben-, der am gestrigen Abend von den Jagdknechten auf¬ 
gespürt war. 
„Da ist die Hundekehle, der See blitzt schon durch die Tannen!" rief 
jetzt der Kurfürst. Bald hielten die Reiter auf dem Keinen Höhenzuge, 
der den See umgibt. „Noch haben sie den Burschen nicht," sagte 
Friedrich Wilhelm, nach dem jenseitigen Ufer blickend, halblaut vor sich
	        
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