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unangenehm, allein es half nichts, und sie rechnete noch einmal. In¬
zwischen war es finster geworden, und mit dem Spaziergang war es
vorbei.
2.
Eines Tages war der Geburtstag einer Schulfreundin, und
Bertha war dazu eingeladen. Als Bertha sich an diesem Tage an
ihr Tischchen setzte, um ihre Schularbeiten zu machen, ermahnte die
Mutter sie zum Fleiß und zur Aufmerksamkeit, indem sie hinzufügte:
„Denke nicht an andere Dinge, sondern nur an deine Arbeit!"
Bertha versprach es und begann auch sogleich zu schreiben. Als
aber die Mutter kurz darauf das Zimmer verließ, vergaß Bertha bald
wieder ihr Versprechen, und ihre Gedanken waren nicht mehr bei
dem, was sie that. Sie hatte so viel zu fragen und mitzuteilen,
daß sie eilig hinauslaufen wollte zur Mutter. Aber o weh! im
Eifer stieß sie mit dem Fuß gegen den leichten Tisch, auf dem das
Tintenfaß stand, der Tisch fiel um, und die schwarze Flüssigkeit ergoß
sich über das Buch und den Fußboden. Bitterlich weinend stand
Bertha da, als die Mutter wieder ins Zimmer trat. „Das hast du
nun durch deine Flüchtigkeit angerichtet," sprach die Mutter ernst,
auf den umgestürzten Tisch und das zerbrochene Tintenfaß zeigend,
"Nun kannst du zum Geburtstag nicht gehen, sondern mußt deine
Arbeiten noch einmal machen. Hättest du deine Gedanken bei der
Sache gehabt, so würdest du dir diese Unannehmlichkeit erspart haben.
Du bist ein ungehorsames Kind, das nicht einmal ein Versprechen
halten konnte."
Bertha bat weinend die Mutter um Verzeihung, denn sie sah
ihr Unrecht ein, und es that ihr sehr weh, die Mutter so erzürnt zu
sehen. Sie mußte jetzt zu Hause bleiben; das war zwar eine recht
empfindliche Strafe für sie, aber sie war heilsam. Von nun an be¬
mühte sich Bertha ernstlich, den bösen Fehler abzulegen, und es gelang
ihr. Bald brauchte die Mutter nicht mehr zu sagen: „Habe deine
Gedanken bei dem, was du thust!" yedwig mem.
126. Das kostbare Kräutlein.
Zwei Mägde, Brigitte und Walpurg, gingen der Stadt zu, und
jede trug einen schweren Korb voll Obst auf dem Kopfe.
Brigitte murrte und seufzte beständig; Walpurg aber lachte und
scherzte.
A. Kippenberg, Lesebuch II.
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