Full text: Erlebnisse und Darstellungen aus den ersten acht Monaten des Weltkrieges ([Heft 1], [Schülerband])

— 02 — 
Blitz sausen wir dahin. Unsere Erkundung ist beendet — wir sind zufrieden 
mit dem, was wir erspähten. 
Jetzt also zurück. Während ich gerade dabei bin, den Motor abzu— 
drosselnsd, um so mit unserem Flugzeug in tiefere Regionen zu gelangen, 
taucht plötzlich am Horizont ein kleines, sich schnell fortbewegendes, schwarzes 
Pünktchen auf. Bald verrät uns auch ein zuerst leises, dann immer stärker 
hörbares Surren, ähnlich dem Summen einer Fliege auf einer Fenster— 
scheibe, daß außer uns noch eine fliegende Schildwache am Himmel 
schwebt. Noch sind wir außerstande, festzustellen, ob wir Freund oder 
Feind vor uns haben; der Flieger steht bedeutend höher als wir. 
Almählich aber wird das kleine Pünktchen größer — jetzt können wir auch 
die scharfen Linien des Flugzeugs deutlich erkennen. Es besteht kein 
Zweifel für uns, es ist ein schneller französischer Eindecker — ein so⸗ 
genannter Depeschenflieger. 
Der Franzose nähert sich uns mit größter Geschwindigkeit. Wir 
ändern unseren Kurs und fliegen ihm, ständig Höhensteuer gebend, gerade 
entgegen. Als er sieht, daß wir uns auf einen Kampf mit ihm einlassen 
wollen, zieht er eilends davon. So bleibt uns denn nichts anderes übrig, 
als unsere ursprüngliche Flugbahn wieder einzunehmen. Da taucht 
plötzlich schräg vor uns, aus den Wolken kommend, ein zweiter Flieger 
auf. Diesmal sehen wir sofort, daß es ein feindliches Flugzeug, ein schwerer 
französischer Doppeldecker ist. Sofort gebe ich Sprunggas, und meine 
brave Maschine macht einen ordentlichen Satz nach oben. Wir beschlossen, 
nicht auszuweichen; sollten wir untergehen, dann kämpfend. 
Noch steht der Franzose höher als wir, aber auch wir schrauben uns 
mit aller Macht höher und höher. Für einen Augenblick verschwindet er 
aus unserem Gesichtskreise — eine Wolkenwand verbirgt ihn. Plötzlich 
sehen wir den Franzosen wieder, wie er fast senkrecht über uns seine Kreise 
zieht. Jeden Moment erwarten wir, daß er auf uns schießt oder seine 
Bomben schleudert. Unsere Herzen klopfen zum Zerspringen. — 
Jetzt naht der Augenblick des Angriffes; deutlich vernehmen wir den 
Knall eines Schusses — dann noch einen — — und wieder einen. Jeden 
Augenblick können wir in die Tiefe stürzen. Wenn ein Zufallstreffer 
den Spanndraht unserer Steuerung zerschlägt, sind wir rettungslos ver⸗ 
loren. Für uns gilt es zunächst, aus der gefährlichen Lage zu entkommen. 
Ich wende und richte meinen Kurs so ein, daß wir hinter den Franzosen 
kommen. Dieser Versuch gelingt mir auch vollkommen. Immer und 
immer geben wir Höhensteuer, — jetzt sind wir ungefähr in gleicher Höhe 
mit dem Franzosen; er bemerkt dies und versucht, seitlich an uns vorbei⸗ 
zukommen. 
Im gleichen Augenblick gibt mein Beobachter Feuer; ruhig fliegt der 
Franzose weiter. — — — Also ein Fehlschußl! Noch einmal schießen wir, 
2*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.