46 Grundzüge der physischen Geographie.
zweimal, zur Zeit des ersten und letzten Viertels, am schwächsten (taube Fluten,
fälschlich Nippfluten nach dem englischen neap tides). Bei Neumond, wo Sonne
und Mond auf derselben Seite der Erde stehen und in derselben Richtung die Erde
anziehen, wird durch das Zusammenwirken die Zenitflut verstärkt; bei Vollmond
stehen sich Sonne und Mond diametral gegenüber und die Sonne verstärkt durch
ihre Anziehung die Nadirflut. Beim ersten und letzten Viertel stehen Sonne uud
Mond rechtwinklig zur Erde und der Mond bewirkt da eine Flut, wo die Sonne
eine Ebbe hervorruft. Daher ist die Flut geringer, eine taube Flut; beide Wirkungen
schwächen einander.
d) Fluthöhe. Im offenen Weltmeere beträgt der Unterschied zwischen Ebbe
und Flut höchstens 2% m, in engen Kanälen aber steigt die Flut weit höher; so
im Kanal von Bristol bis auf 15 in, im hintersten Ende der Fundy-Bai (Nord-
amerika) sogar bis auf 30 m.
3. Meeresströmungen. Bezüglich ihrer Bewegung und Natur sind folgende
drei Punkte zu beachten:
a) Die Meeresströmungen werden im Gegensatz zur Richtung der Winde stets
nach der Himmelsgegend bezeichnet, nach der sie fließen.
b) Die (Oberflächen-) Strömungen der Meere sind, sowohl was Schnelligkeit
als Richtung anlangt, ziemlich unbeständig und selbst die ausgeprägtesten derselben
unterliegen strichweise und zeitweise sehr großen Veränderungen.
e) Die Strömungen sind nicht scharf begrenzte Erscheinungen in der Art der
Festlandsflüsse.
Je nachdem die Strömungen aus tropischen oder polaren Gebieten ihren Ur-
spruug nehmen, führen sie warmes oder kaltes Wasser.
1. Warme Meeresströmungen:
Im Atlantischen wie im Stillen Ozean treten zu beiden Seiten des Äquators
von Osten nach Westen gerichtete Strömungen, die Nord- und Südäquatorial-
strömung, auf, zwischen beiden, jedoch stets nördlich vom Äquator, eine entgegen-
gesetzt gerichtete, die Äquatorialgegenströmung. Von den atlantischen Aqua-
torialströmuugeu dringt ein Teil in das Karibische Meer und den Golf von Mexiko
ein und verläßt ihn durch die Straße von Florida, um sich dann als Golf-
ström fächerartig über den nördlichen Atlantischen Ozean auszubreiten. Die ge-
samten West- und Nordwestküsten Europas werden von Zweigen desselben getroffen.
Im Stillen Ozean entspricht dem Golfstrom der Kuro Schio. Im Indischen Ozean
ist nur die Südäquatorialströmung in gleicher Weise wie in den beiden anderen
Ozeanen ausgebildet. Nördlich vom Äquator wechseln die Strömungen ihre Rich*
tuug mit den Jahreszeiten (entsprechend den Monsunen).
2. Kalte Meeresströmungen:
Aus dem Südpolarmeer stammen die Strömungen, welche längs den West-
küsten der drei südlichen Landmassen nach Norden strömen, der Bengnela-, Peru-
und Westaustralstrom. Aus dem Nordpolarmeer dringt durch die Davisstraße
ein starker, kalter Strom, der Labradorstrom, in den Atlantischen Ozean ein,
zieht sich westlich vom Golfstrom der Küste von Nordamerika entlang und taucht
schließlich unter dem Golfstrom unter.