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rief) Wilhelm IV. bemüht, dem gesamten deutschen Vaterlande höhere
Ehre und festere Einigung zu gewinnen. Dies hohe Vermächtnis will
ich getreulich wahren. Mit Stolz sehe ich mich von einem so treuen
und tapferen Volke, von einem so ruhmreichen Heere umgeben. Meine
Hand soll das Wohl und das Recht aller in allen Schichten der Be¬
völkerung hüten, sie soll schützend und fördernd über diesem reichen Leben
walten. Es ist Preußens Bestimmung nicht, in dem Genuß der er¬
worbenen Güter zu leben. In der Anspannung aller seiner Kräfte, in
der Stärkung seiner Wehrkraft liegen die Bedingungen seiner Macht.
Nur so vermag es seinen Rang unter den Staaten Europas zu be¬
haupten. Meine Pflichten für Preußen fallen mit meinen Pflichten für
Deutschland zusammen. Als deutschem Fürsten liegt mir ob, Preußen
die Machtstellung zu verschaffen, welche es vermöge seiner ruhmvollen
Geschichte und seiner entwickelten Heereseinrichtung unter den deutschen
Staaten zum Heile aller einnehmen muß. Ich werde mich bemühen, die
Segnungen des Friedens zu erhalten. Dennoch können Gefahren für
Preußen und Deutschland heraufziehen."
6. Verbesserung des Heerwesens.
Um die Aufgaben, welche ihm gestellt waren, zu lösen, war nötig,
tias preußische Heer zu verbessern und zn vermehren. Trotzdem die all¬
gemeine Wehrpflicht seit dem Jahre 1814 eingeführt war, wurden bei
weitem nicht alle wehrfähigen Männer zum Heersdienste herangezogen.
Dies hatte große Nachteile. Die ausgehobenen Soldaten mußten lange
dienen und als Landwehr bis zum 45. Lebensjahre stets gewärtig sein,
bei einer Mobilmachung unter die Waffen gerufen zu werden. So
wurden viele ältere Männer ihrem Berufe und ihren Familien entrissen,
während viele junge, kräftige Leute von der Wehrpflicht frei waren.
Nach der neuen Wehrordnung sollten statt 40000 Mann alljährlich
63000 Rekruten eingestellt werden. Diese sollten drei Jahre mit der
Waffe dienen, 4 Jahre lang der Reserve, 4 Jahre der Landwehr ersten
Aufgebots und 5 Jahre der Landwehr zweiten Aufgebots angehören.
Diese Heeresvermehrung kostete alljährlich 28% Millionen Mark mehr,
doch wollte die Volksvertretung diese Ausgabe nicht bewilligen. Es
that dem König wehe, daß das Volk der Kosten wegen murrte und
widerstrebte, und er wollte deswegen schon die Krone niederlegen, weil
er weder wider sein besseres Wissen und Gewissen, noch wider die Ver¬
fassung, welche er beschworen hatte, handeln wollte. Da mahnte ihn
jein Kriegsminister von Roon zum Ausharren und flößte ihm neue Hoff¬
nung ein, indem er ihn auf einen Mann hinwies, der wohl imstande
sei, den Verfassungsstreit mit fester Hand zum Segen und Heile des
Landes durchzuführen. Dieser Mattn war Otto von Bismarck.
Derselbe war am 1. April 1815 ans dem altmärkischen Gute Schön¬
hausen geboren und frühzeitig Deichhauptmann geworden. 1847 gehörte
Th. Franke, Prakt. Lehrbuch der Deutschen Geschichte. 2. Teil. 25