Full text: Heimatkunde der Provinz Hessen-Nassau nach natürlichen Landschaftsgebieten

— 220 — 
deutsche nennen sollen. Denn ihre edelste und erhabenste 
Gestalt ist von deutschen Meistern ausgegangen. Diese bildeten 
damals zur Ausführung so bedeutender und kunstreicher Bauten 
unter dem Namen „Baubrüder" mit ihren Gesellen eine be- 
sondere Zunft, hatten in allen bedeutenden Städten, zumal in 
Siraßburg, Wien und Köln, ihre „Hütten" oder Bausitze mit 
besonderen päpstlichen und kaiserlichen Privilegien, mit eigenen j 
Anordnungen und eigener Gerichtsbarkeit, und oerbreiteten ihre 
kunstreiche Gewerbthätigkeit auch über andere Länder. Der 
deutsche Eichen- und Buchenwald mit seinen schlank emporstre- 
benden, unten und oben in einem unendlichen Neichthume aus- j 
breiteten Zweigen und Stämmen war vielleicht Vorbild und 
Muster zu ihren Bauten. Wie früher das deutsche Volk in 
seinen Wäldern seine Gottheiten verehrte, so sollte es jetzt in 
seinen Säulenhainen den geoffenbarten Gott anbeten. Die 
Steine selbst find zu lebendigen Thieren und Blumen umge- 
wandelt. Von Innen scheinen große Palmen, zu Säulen- 
büscheln vereint, ihre Zweige und Blätter in den Kreuzgewölben 
auszubreiten. Draußen steht der Wald mit den heiligen Wächtern 
in Nischen und Krystallhöhlen umher. Alle Formen der Thier- 
und Pflanzenwelt erscheinen hier zum Lobe des Schöpfers neu 
vereint. Zudem ward die Glasmalerei mit ihren frischen, dauer¬ 
haften Farben erfunden, um durch die Fenster der Kirchen nicht 
bloß sinnliches, sondern auch geistiges Licht erftralen zu lassen. 
Niesenartige, gleichfalls spitzbogig gestaltete Fenster, geschmückt 
mit Darstellungen aus der heil. Geschichte iit Glasmalerei, in 
reiitttt thcils glühenden, theils gedämpften Farben, geben ein 
vertrauliches, gemüthliches Helldunkel uud verbreiten über den 
ganzen inneren Raum eine sanfte Beleuchtung. — So ging die 
bildende Kunst in allen ihren Zweigen von der Kirche als ihrer 
Mutter aus und schritt von einer Stnse zur anderen bis zu 
ihrer höchsten Vollendung.*) 
*) „Der Ethische Dom", ein Gedicht von M. von D iepenbrock, 
dielet hierzu ein anziehendes Bild: 
l
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.