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deutsche nennen sollen. Denn ihre edelste und erhabenste
Gestalt ist von deutschen Meistern ausgegangen. Diese bildeten
damals zur Ausführung so bedeutender und kunstreicher Bauten
unter dem Namen „Baubrüder" mit ihren Gesellen eine be-
sondere Zunft, hatten in allen bedeutenden Städten, zumal in
Siraßburg, Wien und Köln, ihre „Hütten" oder Bausitze mit
besonderen päpstlichen und kaiserlichen Privilegien, mit eigenen j
Anordnungen und eigener Gerichtsbarkeit, und oerbreiteten ihre
kunstreiche Gewerbthätigkeit auch über andere Länder. Der
deutsche Eichen- und Buchenwald mit seinen schlank emporstre-
benden, unten und oben in einem unendlichen Neichthume aus- j
breiteten Zweigen und Stämmen war vielleicht Vorbild und
Muster zu ihren Bauten. Wie früher das deutsche Volk in
seinen Wäldern seine Gottheiten verehrte, so sollte es jetzt in
seinen Säulenhainen den geoffenbarten Gott anbeten. Die
Steine selbst find zu lebendigen Thieren und Blumen umge-
wandelt. Von Innen scheinen große Palmen, zu Säulen-
büscheln vereint, ihre Zweige und Blätter in den Kreuzgewölben
auszubreiten. Draußen steht der Wald mit den heiligen Wächtern
in Nischen und Krystallhöhlen umher. Alle Formen der Thier-
und Pflanzenwelt erscheinen hier zum Lobe des Schöpfers neu
vereint. Zudem ward die Glasmalerei mit ihren frischen, dauer¬
haften Farben erfunden, um durch die Fenster der Kirchen nicht
bloß sinnliches, sondern auch geistiges Licht erftralen zu lassen.
Niesenartige, gleichfalls spitzbogig gestaltete Fenster, geschmückt
mit Darstellungen aus der heil. Geschichte iit Glasmalerei, in
reiitttt thcils glühenden, theils gedämpften Farben, geben ein
vertrauliches, gemüthliches Helldunkel uud verbreiten über den
ganzen inneren Raum eine sanfte Beleuchtung. — So ging die
bildende Kunst in allen ihren Zweigen von der Kirche als ihrer
Mutter aus und schritt von einer Stnse zur anderen bis zu
ihrer höchsten Vollendung.*)
*) „Der Ethische Dom", ein Gedicht von M. von D iepenbrock,
dielet hierzu ein anziehendes Bild:
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