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10 Werst aber auf dem Ostufer dehneu sie sich nach Mitteilung der Be-
wohner der Gegend sehr weit aus, um sich schließlich mit der Sand-
wüste^zu vermischen. Jenseit der Salzmoore zieht sich — wenigstens
auf dem von mir erforschten Südufer — ein schmaler, dem Seeufer
parallel laufender Streifen, der mit Tamarisken bewachsen ist, hin, und
über denselben hinaus breitet sich die mit Kieselgerölle bedeckte Ebene
aus, die stark, aber allmählich zum Fuße des südlich gelegenen Altyntag
hinansteigt. Diese Ebene war in längst vergangener Zeit wahrschein-
lich der Rand des Lob-Nor, der damals mit seinem Wasser alle jetzigen
Salzmoore bedeckte, folglich viel größer, wahrscheinlich auch tiefer und
reiner war. Welche Ursachen das Seichtwerden des Sees herbeigeführt
haben, und ob sich dieses periodisch wiederholt, vermag ich nicht zu sagen.
Übrigens wird das Faktum des Austrocknens sast bei allen mittelasiatischen
Seeen beobachtet.
Die Eingeborenen am Lob-Nor sind unter dem Namen der Kara-
kurtschiuer bekannt und leben in elf Dörfern. Die Bevölkerung war
früher weit zahlreicher, als gegenwärtig; die bedeutende Abnahme ist eine
Folge teils seuchenartiger Krankheiten, namentlich der Blattern, teils der
ungünstigen Lebensbedingungen, unter welchen diese Menschen existieren.
In ihrem äußeren Typus weisen sowohl die Kara-kurtschiner, als auch
die Anwohner des Tarim ein Gemisch verschiedener Gesichtsbildung auf,
unter denen einige an die mongolische Rasse erinnern. Im allgemeinen
herrscht indessen der Typns des arabischen Stammes, obgleich durchaus
nicht rein, vor. Soviel ich habe bemerken können, sind die charakteristi-
schen Merkmale der Kara-kurtschiner ein mittlerer oder kleinerer Wuchs,
schwacher Körperbau mit eingesunkener Brust, ein verhältnismäßig kleiner
Kopf mit regelmäßigem, kleinem Schädel, hervorstehenden Backenknochen
und spitzem Kinn, schwacher Bartwuchs, oft dicke, gleichsam umgewendete
Lippen, ausgezeichnete weiße Zähne, endlich eine dunkle Hautfarbe, woher
vielleicht auch ihr Name Kara-kurtschin (Kara-koschun), d. h. schwarzer
Koschun, stammt.
Wenn der Reisende den engen, vielfach sich windenden und an den
Ufern mit ungeheurem Röhricht bewachsenen Tarim hinabfährt, bemerkt
er plötzlich am Ufer drei, vier Nachen und hinter denselben einen kleinen
freien Platz, auf welchem einige viereckige Rohrverschläge stehen. Das
ist ein Dorf. Sobald die Bewohner desselben einen fremden Menschen
sehen, verbergen sie sich und gucken verstohlen durch die Rohrwände
ihrer Wohnung. Wenn sie bemerken, daß die Ruderer der Boote ihre
Landsleute sind, oder daß ihr Vorgesetzter von der Partie ist, dann
kommen sie ans Ufer und sind beim Landen behilflich. Man steigt ans
Ufer und schaut sich um. Überall Morast, Röhricht — kein trockenes
Plätzchen. Wilde Enten und Gänse plätschern unmittelbar neben den