Staub herausschwirrte. Da flog auch das Samenkörnchen in die
Luft, und weil Tür und Fenster offenstanden, so fuhr es rasch
und immer rascher zum Fenster hinaus — wieder in die weite
Welt hinein.
O wie schön war es draußen! Alle Gärten voll Blumen, alle
Fenster voll Blumen, alle Bäume, alle Kleider und alle Sonnen¬
schirme voll Blumen! — Sieh, da kam gerade ein hübscher Sonnen¬
schirm, schön zum Ausruhen und Ausfahren für kleine Samen¬
körnchen. Und unser Samenkörnchen setzte sich hinauf, und die
Dame, die darunterging, merkte nicht, daß sich oben jemand
hinausgesetzt hatte. Sie fühlte auch nicht, daß der Schirm schwerer
geworden war — sie machte ein fröhliches Gesicht und summte
ein Liedchen vor sich hin. Unser Körnchen hielt sich recht fest,
als die Dame in die Elektrische stieg und dabei den Sonnenschirm
herunterklappte. Es wollte doch nicht auf den Fußboden des
Wagens fallen und dort zwischen den Holzleisten im Staub und
Sand liegen bleiben, bis, bis — ja bis der Wagen einmal ausgefegt
wurde; es wollte sich ja die weite Welt besehen. Aber nun wurde
die Wagentür aufgerissen, und herein stürmte eine große Schar
von Mädchen, alle weißgekleidet, mit gelben Schuhen, mit Körbchen
und Schirmen. „Guten Morgen, Fräulein, guten Morgen, Fräulein!“
riefen sie und schüttelten der Dame die Hand. „O, was für nette
Kinder,“ dachte unser Körnchen und hängte sich geschwind dem
Blondlöckchen, das gerade an dem Fräulein vorbeihüpfte, an die
große rosa Schärpe. Und dann fuhr die ganze, lustige, schwatzende
Gesellschaft mit den glücklichsten Gesichtern nach dem Bahnhof.
Draußen auf dem Lande hat sich das Samenkörnchen wieder
befreit. Wie stürmten die Mädchen über die Weide, um den dicken
Ball zu kriegen! Fräulein mußte sogar schelten; dem einen Mädchen
war im wilden Spiel schon die Schärpe abgerissen — sie mußte
mit einer Sicherheitsnadel angesteckt werden. Muß man sich da
wundern, daß unser Samenkörnchen nicht mehr mitmachen
wollte? Es ließ sich herab und kam glücklich zwischen gelben
und weißen Blümchen auf der Erde an. — Der Regen hat es
nachmals ganz in das dicke Wurzelgeflecht des Rasens hinein¬
gespült. Dort hat es gekeimt und ist gewachsen. — Im nächsten
Jahre pflückte sich dort, ganz genau an derselben Stelle, ein Junge
einen dicken, weißen, kugelrunden Wollkopf vom Stengel ab und
steckte ihn an seinen Strohhut.