Vorwort zur ersten Auflage.
Die meisten der nachstehenden Sagen wurden von den Unter-
zeichneten mit Kindern des zweiten und dritten Schuljahres be-
handelt und für die Schulschrift der städtischen Mittelschule für
Mädchen in Elberfeld Südstadt (Schuljahr 1906—07) zusammen¬
gestellt. Auf mehrfache Anregung hin haben wir uns ent-
schlössen, die Sammlung zu erweitern und in der kindlichen Er-
zählweise, wie sie sich aus dem praktischen Unterricht ergab, zu
veröffentlichen. Mögen die bergischen Sagen in recht vielen
Schulklassen gleiche Freude bei Lehrenden und Lernenden hervor¬
rufen.
Mit Recht suchen einsichtige Pädagogen, den Kleinen im
ersten Schuljahre den Zauber der Märchenwelt zu erschließen.
Lassen die Märchen der kindlichen Phantasie freies Spiel, die
Gestalten und Begebenheiten an beliebige Gegenden und Ortlich-
leiten zu verpflanzen, so fesseln die bergischen Sagen das Denken
der Kinder an die engste Heimat, an die nächste Umgebung.. Daß
die heimatlichen Sagen dem Kinde die Heimat lieb und wert
machen, daß sie es vermögen, das Interesse des Kindes voll
und ganz der betreffenden Ortlichkeit zuzuwenden, zeigt das Ver-
halten der Schülerinnen bei Schulwanderungen.
Ein Beispiel. Die Lehrerin kündet in der Klasse an: „Morgen
machen wir einen Ausflug nach Kohlfurt." Allgemeiner Jubel.
„Fräulein," heißt es aus der Schar der Fröhlichen, „sehen wir
dann auch die Klippen, wo das Zwergjunkerlein seine Zipfel-
mütze verlor?" — „Steht auch die Schmiede noch, wo der
Schmied wohnte?" — Voller Erwartung wird die mit Geheimnis
umgebene Ortlichkeit erreicht. Und richtig, da erhebt sich der
Berg steil aus der Wupper. Doch die Klippen hat' man sich
schroffer, das Wupperbett enger gedacht. Da gibt's nun Ge¬
legenheit, die Gedanken der kleinen Erdenbürger rückwärts zu
lenken in die graue Vorzeit, in der die Berge sich noch dicht an
die Wupper drängten, da der breite Fahrweg, auf dem jetzt eine
ganze Schulklasse Platz findet, noch nicht war. „Vielleicht führte
ein schmaler Fußpfad am steilen Abhang entlang." — „Da mußte