Full text: Bilder aus dem Gebirge und Berglande von Schlesien und den Ebenen in Posen von der Oder bis zur Weichsel (Bd. 8)

Pan Twardowski. 465 
Achse des Wagens und ein Rad zerbrach. Kein Dorf, viel weniger ein Schloß 
ist in der Nähe; dem Reisenden bleibt nichts übrig, als in eine unfern belegene 
ärmliche Schenke einstweilen einzutreten, bis der Wagen notdürftig wiederher- 
gestellt fein würde. Twardowski trat an das trübe Fenster der großen, düstern, 
unreinlichen Gaststube, in der ein altes, zahnloses Mütterchen unter mißtönendem 
Gesänge spann und dabei die Wiege eines schlafenden Kindes mit dem Fuße 
fchaukelte, das an demselben Morgen erst getauft war. 
Als Twardowski aus dem Fenster über das Feld hinaussah, bemerkte er, 
daß es sich über den Himmel wie ein gelbrötlicher Wetterschein legte. Ein 
dumpfes Brausen erfüllte die Luft, die Erde schien in ihren Grundfesten zu 
wanken, in dichten Schwärmen ließen Krähen und Raben sich krächzend auf dem 
Dache der Schenke nieder und umkreisten sie mit wildem Geschrei. Da trat 
unwillkürlich die Erinnerung an den Kontrakt mit dem Teufel vor seine Seele, 
die er gern auf immer aus derselben verbannt hätte. 
„Wie heißt diese Schenke?" fragte er die Alte mit unsicherer Stimme. 
„Der Ort heißt Rzym (Rom)", antwortete die Frau gleichgültig; aber sie 
schrie laut auf vor Schrecken, als sie sah, daß Twardowski wie angedonnert 
zusammenfuhr, seine Mienen voll Entsetzen sich verzerrten, daß er erbleichte, 
zitterte und in Ohnmacht zusammenzusinken drohte. 
„Wie wechselt Ihr die Farbe, gnädiger Herr", rief sie bestürzt, „wird Euch 
unwohl oder seid Ihr gar zum Tode krank?" Sie eilte hinaus, um ihm 
schleunig einen Trunk frischen Wassers zu holen. 
Kaum hatte das Weib das Zimmer verlaffen, so trat der Teufel in feiner 
vollen Amtstracht ein. Twardowski schauderte, und in der Angst des gewissen 
Todes und ewiger Höllenqual riß er das nengeborne Kind aus der Wiege und 
hielt es vor sich als einen schirmenden Schild gegen den Widersacher. Der 
Feind konnte an das makellose Gottesgeschöpf nicht Hand anlegen, er mochte 
sich drehen, springen und ringen, wie er wollte. Ermüdet durch lange frucht- 
lose Bemühungen, griff Satan seinen Gegner bei der Ehre an. „Schäme dich, 
Twardowski", sagte er. „Ziemt es dir, so hinterlistig unfern Vertrag zu brechen? 
Quid cogitas, domine Twardowski? An nescis pacta nostra? Verbum nobile 
debet esse stabile (Kennst du unfern Vertrag nicht? Edelmanns Wort muß 
gehalten werden)." 
Twardowski sah ein, daß er sein adliges Wort, das er durch Schrift und 
Blut befestigt hatte, halten müsse. Er legte das Kind in die Wiege zurück, und 
sofort fuhr sein Gefährte mit ihm zum Rauchfang hinaus. Die Schwärme der 
Uhu, Eulen, Raben und Krähen erhoben ein lautes Freudengekrächze. 
Beide fliegen höher und höher. Twardowski gewinnt die Geistesgegen- 
wart wieder; er blickt hinunter, und in grauer Ferne liegt die Erde unter ihm 
ausgebreitet. Tiefe Trauer ergreift des Zauberers Herz; er hat alles zurück- 
gelassen, was ihm lieb und teuer gewesen war. Er kommt in Gegenden, in 
denen kein Geier, kein Adler mit seinen Flügeln die Luft bewegt, von denen 
aus der Wanderer nicht mehr auf die Erde hinabblicken kann. Da ziehen noch 
einmal in lebhafter Gestaltung die Bilder der Vergangenheit an seiner Seele 
vorüber. Mit seiner Erinnerung an das Glück seiner Jugend, an die Zeit der 
Unschuld und des frommen Glaubens klingt wieder in den Tiefen seines Herzens, 
wie der Ton einer sanft geschwungenen Glocke, ein Lied, das er einst zu Ehren 
Deutsches Land und Volk. vitt. 30 Georg-Eckert-Instltüt 
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Schulb",: ohforschung 
BraunsdrA'sig 
SchijSbuchbibriiothek
	        
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