Attila der Hunnenkönig.
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Teil der Stadt ging in Flammen auf, Tempel und Paläste wurden geplündert;
nur ein paar christliche Kirchen soll Alarich beschützt haben. Sonst sind
damals viele Kostbarkeiten, viele schöne Kunstwerke mutwillig zerschlagen
worden. — Und der Kaiser? Der saß hinter den festen Mauern von Ravenna
und züchtete Hühner. Eine seiner Hennen, die er zärtlich liebte, hieß Roma,
als man ihm nun meldete, Roma, d. i. die Stadt Rom, sei verloren, da
sagte er erschreckt: „Aber sie hat mir ja eben noch aus der Hand gefressen!"
Als er merkte, welche „Roma" gemeint sei, sagte er ganz erfreut: „Ach fol
ich glaubte, meine Henne sei ums Leben gekommen!"
D. Ende. Jetzt wäre es Alarich nicht schwer geworden, sich zum Kaiser
zu machen; aber das wollte er gar nicht, er wollte Gotenkönig sein und
bleiben und nur seinem Volke gute Wohnsitze schaffen. So zog er weiter
nach Süditalien, wohl um nach Sizilien und Afrika zu gehen; aber plötzlich
raffte ihn der Tod hinweg. Er starb zu Coseuza nach kurzer Krankheit.
Da lenkten seine Getreuen den Fluß Buseuto ab, gruben in der Mitte des
leeren Bettes ein Grab und senkten unter Trauergesängen den toten König
in voller Rüstung und mit vielen Schätzen in die Tiefe. Dann schütteten
sie das Grab zu und lenkten den Fluß wieder darüber hin. Die Sklaven
aber, die bei dem Begräbnis geholfen hatten, töteten sie, damit keiner den
Römern die Stelle verraten könne. Alarichs Schwager führte die Westgoten
dann hinweg, und sie gründeten an beiden Seiten der Pyrenäen ein West«
gotenreich mit der Hauptstadt Tolösa.
Die Fluten des Bnsento aber rauschen noch heute hinweg über das
Grab des kühnen Westgotenkönigs, des ersten Germanen, der die Weltstadt
Rom bezwungen hat.
VII. Attila der Hunnenkönig.
A. Die Hunnen. Wie eine vernichtende Sturzwelle war indes das
Volk der Hunnen aus den Steppen Asiens hervorgebrochen. Schon äußerlich
flößten die Fremden Entsetzen ein. Klein von Gestalt und gelb von Antlitz
stachen sie sehr ab von den hochgewachsenen blonden Germanen. Schon am
ersten Lebenstage wurde den Knaben das Gesicht verunstaltet, indem man
ihnen mit dem Messer die Wangen zerschlitzte. So lernten sie früh Schmerzen
ertragen und hatten ihr Leben lang die Narben. Auch wuchs kein Barthaar
darauf; sie alterten bartlos und „entbehrten des männlichen Schmuckes".
Mit ihren kleinen, flinken Rossen waren sie wie verwachsen: sie aßen, tranken
und schliefen auf ihnen. Ihre Speise waren wilde Wurzeln und rohes
Fleisch aller beliebiger Tiere, das sie unter ihren Sätteln ein wenig mürbe
ritten. Ihre Kleidung bestand aus grobem Leinen oder ans den Fellen der
Waldmäuse; auf dem Kopf hatten sie eine Lederkappe, an den Beinen Ziegen-