4. Im frischen, gruͤnen Walde. 91
einander; wenn einer auf der Strabe geht und seine Last nicht
allein schleppen kann, so springt gleich ein andrer hinzu und hilft,
ohne daß er sich erst bitten läßt.
Da geschah aber an einem schönen Nachmittage ein großes
Unglück. Als eben die Alten ihre weiß eingewickelten Kinder vor
die Stadt getragen und in den warmen Sonnenschein gelegt hatten,
kam plõtzlich ein Riese durch den Wald daher. Die Schildwachen
gaben schnell ein Zeichen. Wie? das weiß ich selbst nicht; denn
Trommeln und Trompeten gibt es nicht in dieser Stadt; aber die
Einwohner verstehen sich doch. Als der Riese auf die Stadt
zukam, rannte alles aus der Stadt und wollte nur schnell die
Kindlein hineinschleppen. Doch ehe noch das Gewimmel hinein
war, kam schon der Riese heran und trat mit seinem Fuße mitten
auf die Stadt, daß gleich mehr als hundert Straben zusammen-
stürzten. Und da nun schon alles durcheinander rannte und
flüchtete, bückte sich der Riese und warf mit seinem Finger
langsam und wie zum Zeitvertreibe eine Strabe nach der andern
ein. Er hatte seine Freude an dem ängstlichen Gewimmel und
daran, wie die armen Leute nur immer zuerst nach ihren Kindern
griffen und sie über die Trümmer hinwesg beiseite schleppten in
die unversehrten Straben.
Das kleine Völkchen verlor aber den Mut doch nicht. Viele
Hunderte machten sich auf, marschierten tapfer auf den Riesen
los und stachen ihn mit ihren Waffen so tüchtig, daß es ihm am
ganzen Leibe wie Feuer brannte, und daß er zurücktrat von der
Stadt.
Aber der Herr des Waldes sprach zu dem Riesen: „Du un—
geschickter, fauler Mensch, was hat dir mein gutes, fleißiges
Võlkchen getan? Du mit deinen groben Händen kannst doch
keine einzige Straße so kunstvoll aufbauen wie mein kleines
Võlkchen dal
Wibt ihr aber, Kinder, wer der Riese war? Das war ein Mensch,
s0 groß wie ihr. Aber was für eine Stadt ich meine, und wer das
kleine, fleibige Volk ist, und wer der Herr des Waldes, das sollt
ihr erraten; und dann geht hinaus in den Wald und besucht die
Stadt und das Völkchen und lernet von ihm. Wrchl Veinen Cange
126. Wie der Wald erwacht.
Wenn noch die Sterne fröhlich am blauen Nachthimmel schimmern, so
beginnt es im Walde sich zu regen. Die Amsel erwacht. Sie schüttelt den