Full text: Für die mittleren Klassen höherer Lehranstalten incl. Obersecunda (Teil 2, [Schülerband])

Zweiter Abschnitt. 
Hilcer zur Veranscauliciung er Kulkur und Geschickke 
cles klassiscien Allerkums. 
— ——— Ô d“c— — 
1. Grundzüge der griechischen Religion. 
Nach P. Asmus, die indogerm. Religion, Halle 1875. 
Griechenland! So lange die Welt steht, wird dieses Wort seinen 
eigentümlichen hinreißenden Zauber bewahren. Es ist, als ob wir 
hinaustreten aus dem beengend trüben Dämmerscheine unseres Zimmers 
in das volle freie Leben der Natur, und wahrnehmen zum erstenmal, 
wie sie mit tausend Stimmen zu uns redet. Da wird unser Herz 
weit, wir werfen uns ganz an ihren Busen und geben uns ihrer 
Wirkung hin, ob sie nun durch das tiefe und doch so beredte Schweigen 
des Waldes unser Gemüt zu stiller Andacht stimme oder durch die 
liebliche Schöne der lachenden Flur uns locke einzustimmen in den 
lauten Jubelruf aller Kreaturen. Und was diesen fesselnden Reiz auf 
uns ausübt, — es ist das Verhältnis des Geistes zur Natur, wie 
es in Griechenland auftritt. 
Die griechische Religion ist die Vermählung des starken selbst be— 
wußten Geistes mit der sich ihm in ihrem innersten Wesen erschließenden 
Naiur, und dies eben ist die Religion der Schönheit, da hier keine 
einzelne Gestaltung bloß nach ihrer geistigen oder natürlichen Seite 
erscheint, sondern jeder materielle Stoff nur existiert in innigster Ver— 
einigung mit der geistigen Form. Wenn andere Religionen des Alter— 
tums uns als die Gestaltung vereinzelter Seiten des menschlichen 
Gemüts anziehen, so haben wir hier die reine schöne Menschlichkeit 
selbst vor uns, und deshalb, wie weit auch unser Jahrhundert vor— 
geschritten sein mag in allen Zweigen der Kunst und der Wissen— 
schaft, wie sehr jener Standpunkt uns als rein kindlicher in weiter 
Ferne liegt, er bleibt doch die Heimat, von der unser Geist in seiner 
Entwickelung ausgegangen und zu deren harmonischer Schönheit er 
immer wieder zurückkehrt; er bleibt der unversiegbare Born, aus dem 
die alternde Menschheit schöpfen muß, um sich neue Tugend und 
Schönheit zu gewinnen. 
Der Grieche hatte anfangs auch eine Naturreligion, auch Natur— 
götter. Zeus und die olympischen Götter waren bereits geistig gedacht, 
aͤber auch sie waren ja selbst in der Zeit entstanden, hatten Eltern 
und Großeltern, und in diesen Vorfahren haben wir zum Teil die 
frühesten Naturgötter zu suchen. — Des Zeus Großeltern waren 
Uranus und Gäa, Himmel und Erde. Uranus stößt die ihm von 
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