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Afrika,
So fanden wir den Bahnhof in Sues und mit geringen Ausnahmen
die Bahnhöfe anderer Stationen. Diesem Bilde der Verwüstung paßt
sich das Treiben der Bahnbediensteten und des reifenden, meist barfüßigen
Publikums sehr harmonisch an, so daß der traurige Eindruck des Ganzen
recht unangenehm gesteigert wird. Wir wissen, daß ein „eivilisierter, enro-
Pinscher Kondukteur" mitunter recht grob sein kann, aber ein arabischer
übertrifft ihn jedenfalls in dieser Kunst, da er „fein Publikum", wenn
es nicht Europäer oder Reifende erster Klaffe sind, geradezu mit Faust-
schlagen anzutreiben fähig ift. Das ift in Ägypten die Landessitte.
Sprach es doch der Khedive aus, seine Unterthanen wären nur durch
Stockprügel aus dem Wege der Civilisation und Humanität zu erhalten.
Und des Vieekönigs Beispiel fand rasche Unterstützung.
Immerhin übt jedoch das Leben auf einem ägyptischen Bahnhofe
einen gewissen Reiz auf den Fremden aus. Da treiben sich ziemlich
reinlich und sehr malerisch in weiße und blaue Stoffe gekleidete Araber
herum und schreien in den unschönen Kehllauten ihrer Sprache ganze
Gespräche herunter. Eine ruhige Unterhaltung zwischen diesen Leuten
gehört zu den Seltenheiten.
Acht- bis zehnjährige Arabermädchen bieten Wasser in thönernen
Kühlkrügen feil, wobei uns ihre kindlichen Rufe: „ei moje" fehr äuge-
nehm an das bei unseren deutschen Stationen übliche „Frisch Wasser"
erinnern. Junge, kaum dem Knabenalter entwachsene, aber sehr kräftige
nnd gut aussehende Leute bieten die ersten Aprikosen zum Kaufe an. Auch
grüne Gurken hält uns ein Araber mit selbstbewußter Überzeugung ihrer
Vorzüglichkeit hin und schnalzt vergnügt mit der Zunge, um unsere Eß-
lust zu reizen.
Tie Stunde der Abreife war herangerückt; man fchob uns in ein
schmutziges, staubiges Coupe erster Klaffe, das einbruchssicher abgesperrt
wurde. Bald nachher führte uns die kräftige Lokomotive der Wüste zu.
„Um welche Zeit dürften wir in Kairo ankommen?" fragte ich meinen
Nachbar, einen jungen Griechen, der hier feit Jahren für ein Alexandriner
Hans „in Baumwolle macht".
„Das kann man nicht genau wissen", antwortete er, „denn dies
hängt vom Maschinenführer ab."
„Wieso denn", entgegnete ich, „giebt es hier zu Lande keinen Fahr-
plan?"
„Das wohl", sagte er lächelnd, „aber man nimmt es nicht so ge-
nan. Ist zum Beispiel der Maschinist ein Araber oder ein hin und wieder
betrunkener Sohn Albions, so können Sie überzeugt sein, um zwei bis
drei Stunden später anzukommen, als es der Fahrplan angiebt."
Das waren allerdings nicht die besten Aussichten für eine rasche
Fahrt; sie stimmten meine Reiselust beträchtlich herab. Zudem wollte