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fördern Fingers Gelenke haben. Auch Mädchen und Jungen 
soll hinfort, genestelte Schuhe zu tragen, streng untersagt seyn." 
Daß diese genestelten Schuhe, trotz des damaligen Polizel- 
eifcrs, sich dennoch bis in's sechszehnte Jahrhundert erhalten 
haben, steht man daraus, daß uns die Schweizcrgeschichte von 
dieser Eitelkeit eines Landvoigts im Thurgau erzählt, der im Jahre 
1520 ausgeschnittene Schuhe getragen und die Zehen, mit gol¬ 
denen Ringen besteckt, hat durchblicken lasten» 
Schon seit Ende des cilftcn Jahrhunderts hatte eine Mode 
geherrscht, welche in ganz Europa aufgekommen war, daß näm¬ 
lich sowohl Manns- als Frauenspersonen die Schuhe von unge¬ 
heuerer Länge und nach vorne zu spitzig machen und dieser Spitze 
die Gestalt eines Vogelschnabels oder irgend einen anderen Zicr- 
rath geben ließen, welcher, aufwärts gebogen stehend, oft von 
goldenen und silbernen Ketten, am Knie befestigt, gehalten wurde. 
Die Geistlichen stießen sich an diesen Zierrath und sagten: er 
wäre ein Versuch, die heilige Schrift Lügen zu strafen, da solche 
versichere, daß Niemand seiner Länge könne eine Elle zusetzen, 
eiferten demnach mit dem größten Zorne dagegen und versammel¬ 
ten sogar einige Synoden, welche diesen Schmuck durchaus ver¬ 
warfen. Allein, wiewohl die Geistlichen damals Thronen stürz¬ 
ten — wider die so langen spitzigen Schuhe vermochten sie doch 
nichts auszurichtcn» 
Nach einer hartnäckigen Belagerung, die 1385 unter der 
Negierung des Landgrafen Herrmann Hessens Hauptstadt, 
Cassel, erfahren mußte, und bei welcher zwei Stürm cdcs Fein¬ 
des muthig abgeschlagen wurden, fand man nach dessen Abzüge 
eine so große Menge langer, spitzer Schuhschnäbel, daß zur Fort¬ 
schaffung derselben in die Stadt, wo sie noch jetzt zum Andenken 
aufbewahrt liegen, mehrere Heerwagen nöthig waren. Es hatten 
die Belagerer, des Sturmlaufens wegen, solche abschneiden müssen. 
Um das Jahr 1465 wurde auch in London ein Befehl 
wider die lächerliche Mode der Schuhe mit unmäßig langen
	        
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