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Ein Mädchen konnte auch stillschweigend eines Mannes
Frau werden, wenn sie mit Bewilligung ihrer Aeltern oder
ihres Vormundes ein Jahr lang in seinem Hause ehelich
mit ihm lebte, und in dieser Zeit nicht drei Nächte ausser
dem Hause zubrachte. Geschah letzteres nicht, so kam die
Dame nicht in die Gewalt des Mannes, sie wurde nicht
Maler Familiae, sondern sie blieb in der väterlichen Ge¬
walt, und hieß Matroca,
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Fortsetzung. Die Nermählungsfeier.
An dem Tage der Trauung schmückte sich die Braut
festlich mit ihrem besten Schmuck, und einem langen schnee¬
weißen Kleide mit purpurfarbnen Franzen. Ihr Haar war
in sechs Lockest abgetheilt, und mit Blumen umkränzt. Ein
rother oder feuerfarbner Schleier verhüllte ihr Gesicht, und
um ihren Leib war ein wollener Gürtel (Zona) in einen
Knoten geschürzt, den der Bräutigam lösen mußte.
Bei der Vermählung wurden der Juno als Göttin der
Ehe Opfer gebracht, und Auspicien angestellt. Die Galle
des Opferthieres wurde von den Eingeweiden abgesondert,
und weggegoffcn, zum Zeichen, daß alle Bitterkeit auS der
Ehe entfernt scpn soll.
Alle Hochzeitgäste hatten sich indessen in dem Hause des
Brautvaters versammelt, und begleiteten Abends in feier¬
lichem Zuge die Braut in des Bräutigams Haus. Sie
sträubte sich scheinbar zu gehen, sie wurde aber mit sanfter
Gewalt aus den Armen der Mutter gerissen, zum Andenken
der gewaltsamen Entführung der Sabinerinnen. Zwei
schön geschmückte Knaben, die beide ihre Aeltern noch haben
mußten, nahmen sie in die Mitte, und ein dritter ging