117
zu entsetzen, und besprachen sich dort über seine Verkehrtheit von
Jugend auf, und was nun zu thun sei, sieben Tage lang. End¬
lich ward beschlossen, den Papst zu einer Reichsversammlung
nach Augsburg einzuladen, um in der Sache zu entscheiden; bis
dahin sollte sich Heinrich der Ausübung der königlichen Gewalt
enthalten. Wäre er aber binnen Jahresstist vom Banne nicht ent¬
bunden, so sollte er seiner Würde auf immer verlustig sein. Die¬
ser Beschluß wurde dem Könige zu Oppenheim, wo er sich eben
aufhielt, mitgetheilt und beugte seinen hochfahrenden Sinn auf
einmal zur tiefsten Kleinmüthigleit nieder.
36. Heinrich IV. zu Canossa (1077).
Heinrich sah wohl ein, daß er verloren wäre, wenn der
Papst, bevor er vom Banne losgesprochen sei, nach Deutschland
zu den mißvergnügten Fürsten käme. Auch hielt er eine Ver¬
theidigung vor dem versammelten Fürstenrathe für schimpflicher
und gefährlicher. Er beschloß daher, als büßender Sünder des
Bannfluches Lösung beim Papste selbst nachzusuchen. Es war
im Winter des Jahres 1077, als er mit seiner Frau, seinem
Söhnlein nebst einem kleinen Gefolge die mühsame Pilgerfahrt
antrat. Er kam an die Alpen. Hier hatten ihm seine Feinde,
denen daran lag, daß er im Banne blieb, alle gebahnten Wege
verlegt. Er mußte deshalb einen großen Umweg durch einen
Theil von Frankreich machen und über die Seealpen nach Ita¬
lien sich einen Weg bahnen. Hier, auf den starren Eisfeldern
und Gletscherrücken, war kein Schritt ohne Lebensgefahr. Ueber
verborgene, kaum dem kühnen Gemsenjäger gangbare, Pfade
stieg er mühsam hinan. Und doch war die größte Eile nöthig;
denn die Frist, welche ihm die Fürsten gesetzt hatten, neigte sich
schon ihrem Ende. Endlich war der Gipfel des Berges erreicht;
aber noch größere Mühseligkeiten und Gefahren bot die andere
Seite dar. Diese war so abschüssig und glatteisig, daß man
leinen festen Fuß fassen konnte. Auf Leben und Tod mußte
der Versuch gewagt werden. Die Männer krochen auf Händen