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der Ritter seine gebrochene Lanze mit einer anderen; mancher
brach sogar fünfzig Lanzen an einem Tage.» Nach dem ersten
Kämpferpaare wurde das zweite aufgerufen, dann das dritte,
vierte und so ging es weiter, meist drei Tage, oft aber auch
Wochen lang. Manchmal traten die Ritter auch scharenweise
gegen einander auf. Wenn die Ritter abgetreten waren, hielten
noch wohl die Knappen ein sogenanntes Ge sel len st echen.
Den Beschluß der Nittcrspiele machte die Vertheilung des
Dankes, d. h. des Preises. Dieser wurde nach dem Aus¬
spruche, der Kampfrichter demjenigen Ritter ertheilt, welcher sich
am meisten ausgezeichnet hatte. Er galt eben so viel, als ein
Sieg auf dem Schlachtfelde. Unter dem Schalle der Pauken
und Trompeten wurde der Name des Siegers mit lauter Stimme
ausgerufen. Dann nahete sich dieser ehrerbietig den Damen,
welche den Dank vertheilten, und empfing auf den Knieen aus
schöner Hand irgend ein theures Kleinod, einen Helm, oder ein
Schwert, oder eine goldene Kette, oder einen Ring und dergl.
Pauken und Trompeten erklangen dabei auf's Neue. Dann
ward der Sieger feierlich unter gewaltigem Zulaufe der schau¬
lustigen Menge in das Schloß geführt. Hier empfingen ihn
huldvoll die Edelfrauen, nahmen ihm die schwere Rüstung ab
und schmückten ihn mit den prachtvollsten Festkleidern. Am
Abend war große Tafel und großer Festball. Der Sieger hatte
beim Festmahle einen reich verzierten Ehrenplatz; er eröffnete
auch den Ball.
Außer dem Lanzenstechen gab es noch viele andere Spiele,
nicht allein zu Pferde, sondern auch zu Fuß. Die Turniere
wurden überlMpt mit der Zeit immer glänzender. Eins der
prachtvollsten gab der Markgraf von Meißen, Heinrich der
Erlauchte, zu Nordhausen. Dort hatte er in der Mitte eines
großen Platzes, ans welchem das Turnier gehalten wurde, und
der einen Lustgarten vorstellte, einen ansehnlichen Baum von
Silber mit goldenen und silbernen Blättern errichten lassen.
Jeder Ritter, der seinen Gegner aus dem Sattel hob und zur