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selbst gegen die Raubritter aus und brach ihre Burgen. In
Thüringen allein zerstörte er ihrer sechzig. Die gefangenen
Räuber wurden ohne Rücksicht ihres Standes gehängt; denn
Rudolf sagte, er halte keinen Menschen für adelig, welcher die
Armen beraube und die Gerechtigkeit verletze. Er brachte es in
wenigen Jahren dahin, daß der Kaufmann und Pilger keines
Geleites mehr bedurften und durch finstere Wälder und an
trotzigen Burgen ohne Gefahr vorüberziehen konnten. Auch hatte
Jeder, ohne Unterschied des Standes, freien Zutritt zu ihm.
Einst, da die Wache einen gemeinen Mann, der ihn zu sprechen
wünschte, nicht hereinlassen wollte, rief er ihr zu: „So lasset ihn
doch herein! Bin ich denn zum Kaiser erwählt, daß man mich
hier einsperre?"
Obschon Rudolf den ersten Thron von Europa besaß, so
machte ihn doch diese hohe Würde nicht stolz und anmaßend.
So besuchte er als Kaiser noch einen reichen Gerber bei Basel,
den er sonst gekannt hatte, und stand vor einem Bürger aus
Zürich vom Throne auf, weil dieser ihm einst das Leben gerettet
hatte. Man sah ihn wohl im Felde seine einfache Kleidung mit
eigener Hand ausbessern und seinen Hunger mit ungekochten
Rüben stillen. Wegen seiner Einfachheit ward er oft verkannt
und hatte manch' kurzweiliges Abenteuer. Einst, da das kaiser¬
liche Hoflager bei Mainz stand, kam er in seinem gewöhnlichen
Wams in die Stadt. Es war strenge Kälte, und er trat eben
in das offene Haus eines Bäckers, um sich am Backofen zu
wärmen. Die Frau des Bäckers aber, die ihn für einen ge¬
meinen Kriegesknecht hielt, wollte das nicht leiden und schimpfte
aus Leibeskräften auf den Kaiser, der mit seinen Leuten dem
Bürger so zur Last falle. Rudolf lächelte. Darüber wurde
das Weib noch zorniger und goß nach ihm mit einem Kübel
Wasser. Der Kaiser blieb gelassen und ging triefend in's Lager
zurück. Zu Mittag aber schickte er einen seiner Bedienten mit
mehreren gut gefüllten Schüsseln zu der Fran und ließ dabei
sagen, das schicke ihr der Reitersmann, den sie so begossen habe.