Full text: Für obere Klassen (Theil 3)

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Sie drückten sich umsonst und drückten ohn' Erbarmen. 
Augst fühlte Brust an Brust, und Glied um Slieber Schmerz, 
Als Vater dort und Sohn sich drückten so ans Herz. 15 
Indessen oben sie sich mit den Armen klemmten, 
Den Odem in der Brust, das Blut im Herzen hemmten, 
Indessen hielten sie am Boden die gestemmten 
Füß' eingewurzelt. So rang Suhrab mit Tehemten! 
Mit mächtigem Umfah'n, gewaltigem Umschlingen 20 
Vermochten sie sich doch zu Boden nicht zu ringen, 
Vermochten sie sich nicht vom Grund empor zu bringen, 
Vermochten sie sich auch vom Plaßz nicht wegzudringen. 
Umsonst umschlangen sie, umsonst umflochten sie; 
Vergebens rangen sie, vergebens fochten sie. 25 
Voll Muth andrangen sie, voll Wuth aufkochten sie; 
Sich nicht bezwangen sie, noch übermochten sie. 
Nun wollten sie's anstait mit Ringen und mit Dringen, 
Mit Schwingen in die Luft vollbringen und erzwingen. 
Los ließen Vater sich und Sohn, und seine Hand 30 
Ausstreckte jeder nach des andern Gürtelband, 
Und Rostem schwang den Sohn empor mit einem Schwunge 
Am Gürtel; fast erlag dem Alten da der Junge. 
Doch dieser fiel vom Glück geschleudert auf die Brust 
Des Gegners schwer und warf ihn nieder in den Dust. 35 
Da kniet' er auf der Brust des Vaters und besann 
Sich selber nicht, wie er die Oberhand gewann. 
Da zuckt' er rasch den Dolch, und, ohne drau zu denken, 
Wollt' er den kalten Stahl ius Herz des Vaters senken. 
Rostem, aufblickend, sah das nahe Ungemach 
Schweben ob seinem Haupt und rief: „Gemach, gemach! 
Gemach! was willst du un Bist du aus Heldensamen, 
So schände deinen Ruhm nicht jetzt und deinen Namen! 
Du kommest her und stammst aus wilder Türken Mitte; 
Nach Iran kommst du, kämpfst, und kennst nicht Jrans Sitte. 
Die Sitt' ist hier zu Land, daß wer den Kampf mit Ringen 
Beginnen mag und in den Staub den Gegner bringen, 
Das erstemal, da er ihn an den Boden legt, 
Umbringet er ihn nicht, wie sehr ihn Zorn bewegt. 
Ihn schelten würde man und seinem Namen fluchen! 
WMit einem zweiten Gang läßt er's den Feind versuchen. 
Vermag er dann zu Fall ihn wiederum zu bringen, 
Dann ist's erlaubt, ist Sit! und Recht, ihn umzubringen.“ 
So sprach er, ob vielleicht er sei durch List errettet 15 
Vom Gegner, unter dem er unsauft lag gebettet. 
Suhrab hielt zweifelnd inn' und sprach? „Ich habe nicht 
Von dieser Sitt' im Land vernommen den Bericht. 
Sag' an, ob wirklich so es alle Helden halten, 
Ob's so gehalten wird von Rostem auch, dem alten?“ 20 
Doch Rostem sprach: „Was geht's dich an, wie's Rostem macht? 
Nun ja doch! diesen Brauch hat Rostem aufgebracht.“ 
Wie Rostems Sohn aus Rostems Mund dies Wort gehört, 
Das Schwert zog er zurück und ließ ihn los, bethört? 
Einmal von Selbstvertraun, sodann von Schicksals Fug, 25 
Am meisten aber, weil sein Herz von Großmuth schlug; 
Sonst hätt' ihn nicht allein bethört des Vaters Trug. 
Rostem sah froh erstaunt sich los vom Feind gekettet, 
Doch war er unmuthsvoll, daß ihn nur List gerettet. 
Vom Boden sprang er auf und schüttelte die Glieder
	        
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