verengt sich und erhält keinen Zuwachs, bis wir Enkel haben. Man
schließt in unsern Jahren keine neuen Verbindungen mehr, die uns die
absterbenden ersetzen könnten. Laß uns darum um so enger in Liebe zu¬
sammenhalten, bis auch uns der Tod voneinander trennt, wie jetzt
Deinen Sohn von uns. Wer weiß, wie bald! Willst Du nicht mit
Malle nach Stolpmünde kommen, still mit uns einige Wochen oder Tage
leben? Jedenfalls komme ich in 3 bis 4 Wochen zu Dir nach Kröchlen-
dorf oder wo Du sonst bist. Meine geliebte Malle grüße ich von Herzen,
möge Gott ihr, wie Dir, Kraft verleihn zum Tragen und geduldiger
Ergebung! Dein treuer Schwager
v. B.
8. Zu Bismarcks 70. Geburtslage. von Kaiser «uihcim 1.
Bismarck-Denkwürdigkeiten. Von Paul Lim an. 2. Aufl. Berlin 1899. 8. 508.
Berlin, den 1. April 1885.
Mein lieber Fürst!
Wenn sich in dem deutschen Lande und Volke das warme Verlangen
zeigt, Ihnen bei der Feier Ihres 70. Geburtstages zu bestätigen, daß
die Erinnerung an alles, was Sie für die Größe des Vaterlandes getan
haben, in so vielen Dankbaren lebt, so ist es Mir ein tiefgefühltes Be¬
dürfnis, Ihnen heute ausznsprechen, wie hoch es Mich erfreut, daß solcher
Zug des Dankes und der Verehrung für Sie durch die Nation geht. Es
freut Mich das für Sie als wahrlich im höchsten Maße verdiente Aner¬
kennung, und es erwärmt Mir das Herz, daß solche Gesinnungen sich in
so großer Verbreitung kund tun; denn es ziert die Nation in der Gegen¬
wart, und es stärkt die Hoffnung auf ihre Zukunft, wenn sie Erkenntnis
für das Wahre und Große zeigt, und wenn sie ihre hochverdienten Männer
feiert und ehrt.
An solcher Feier teilzunehmen, ist Mir und Meinem Hause eine
besondere Freude, und wünschen Wir Ihnen durch beifolgendes Bild*)
auszudrücken, mit welchen Empsindnngen dankbarer Erinnerung Wir dies
tun; denn dasselbe vergegenwärtigt einen der größten Momente der
Geschichte des Hohenzollernhauses, dessen niemals gedacht werden kann,
ohne sich zugleich auch Ihrer Verdienste zu erinnern.
Sie, mein lieber Fürst, wissen, wie in Mir jederzeit das vollste
Vertrauen, die aufrichtigste Zuneigung und das wärmste Dankgefühl für
Sie leben wird! Ihnen sage Ich daher mit diesem nichts, was Ich
Ihnen nicht oft genug ausgesprochen habe, und Ich denke, daß dieses
Bild noch Ihren späten Nachkommen vor Augen stellen wird, daß Ihr
Kaiser und König und Sein Haus sich dessen wohl bewußt waren, was
* Anton v. Werners „Kaiserproklamation in Versailles".
Porger-Wolff, Lesebuch für Knaben-Mittelschulen. V.
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