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uhren gehabt zu haben. Ihre eigentliche Vollkommenheit' und
Sicherheit entbehrten aber alle diese Uhren noch, da ihnen der
Pendel fehlte, den im siebenzehnten Jahrhundert der berühmte
Florentiner Galilei und der Holländer Huygens erfanden. Da¬
gegen gab es noch vor Ablauf des Mittelalters künstliche Ta¬
schenuhren. Der Ruhm dieser Erfindung gebührt ebenfalls
einem Deutschen, Peter Hele, der um das Jahr 1509 Uhr¬
macher zu Nürnberg war. Dieser verfertigte die ersten, in ih- -
rer Form noch ziemlich ungeschickten, unter dem Namen „Nürn¬
berger Eierlein" bekannten Uhren.*) Bald nach ihm verbes¬
serte sich auch die Form der Taschenuhren, so daß man im
Stande war, außerodentlich kleine zu liefern. Selbst der große
deutsche Kaiser Karl V. beschäftigte sich mit der in seiner Zeit
so beliebten Uhrmacherkunst. Der Holländer Huygens hat sich
auch um ein regelmäßigeres Getriebe der Taschenuhren nicht
geringes Verdienst erworben.
75. Eroberung Constantinopels durch die Tiirken (1453).
Wir wenden uns jetzt zu der Geschichte des ältesten der
europäischen Staaten des Mittelalters, des oströmischen oder
griechischen Kaiserthumes. Dieses bot um die jetzige Zeit einen
betrübenden Anblick dar. Es glich einem alten morschgeworde¬
nen Gebäude, das nur bei stillem heiterem Himmel noch zu¬
sammenhält, bei einem Windstöße aber aus seinen Fugen weicht
und in Trümmer aus einander fällt. Unter meist schwachen
und ausschweifenden Kaisern war es immer tiefer gesunken.
Vom Throne aus hatte sich das Verderben über alle Klassen
des Volkes verbreitet. Die, welche sich als Nachkommen der
Sieger bei Marathon, Salamis und Platää rühmten, waren
feige entnervte Weichlinge, die von den benachbarten kriegeri¬
schen Völkern verachtet und nur Weiber genannt wurden. Sel¬
ten saß ein guter Kaiser auf dem Throne, der mit kräftiger
*) Die Repetiruhr wurde erst gegen das Ende des folgenden Jahr¬
hunderts, im Jahre 1676, von dem Engländer Bar low erfunden.