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tätig ist, und das daher auch als der lebendige Teil, als der Träger des Lebens
aufgefaßt werden muß.
Der Name Zelle hat sich in der Wissenschaft so eingebürgert, daß man
selbst das aus der Zellkammer ausgeschlüpfte Protoplasma als Zelle bezeichnete
und dafür den nichts weniger als glücklich gewählten Namen nackte Zelle
anwendete. In neuerer Zeit nennt man jene aus Protoplasma bestehenden
lebenden Einzelwesen, welche die selbst geschaffenen Kammern als Einsiedler
oder nebeneinander in geselligem Verband in mehr oder weniger umfangreichen
Gebäuden bewohnen, unter Umständen auch ihre Behausung verlassen, ihr Kleid
ablegen und nackt herumschwimmen können, Protoplasten.
Nur wenn die Protoplasten kolonieweise in unzähligen kleinen Kammern
dicht gedrängt beisammenwohnen, wenn diese Kammern von ebenen Wänden
begrenzt und nach allen Richtungen hin ziemlich gleichförmig ausgebildet sind,
macht der betreffende Pflanzenteil unter dem Mikroskope den Eindruck einer
Bienenwabe und jede Kammer den Eindruck einer Zelle. Aber auch in solchen
Fällen äußerer Ähnlichkeit besteht doch ein sehr wesentlicher Unterschied darin,
daß in einer Bienenwabe jede der Wände, durch welche die einzelnen Wachs¬
zellen gesondert sind, den benachbarten Räumen gemeinschaftlich angehört, daß
demnach die Wachszellen Höhlungen in einer einheitlichen Grundmasse darstellen,
während in den zelligen Pflanzenteilen jede Zelle ihre besondere selbständige
Wand besitzt, so daß hier jede zwischen benachbarten Zellkammern eingeschaltete
Scheidewand eigentlich aus zwei Schichten besteht. Diese zwei Schichten sind
an dünnen Zellhäuten, die eben erst von Protoplasten ausgeschieden wurden,
noch gar nicht oder doch nur teilweise zu erkennen, später lassen sie sich aber
immer deutlich unterscheiden. Häufig heben sich diese Schichten an einzelnen
beschränkten Stellen voneinander ab, und es entstehen durch die Trennung
Gänge zwischen den Zellkammern, welche man mit dem Namen Jnterzellulargänge
bezeichnet hat. Manchmal sieht man die Zellen auch ihrer ganzen Ausdehnung
nach durch eine Kittmasse wie zusammengeleimt und nennt dann diese zwischen
die beiden Schichten eingelagerte Substanz Jnterzellularsubstanz.
Auf mechanischem oder chemischem Wege kann man die aneinander grenzenden
Zellen gewöhnlich leicht sondern, wobei die Jnterzellularsubstanz, wenn eine
solche vorhanden ist, aufgelöst wird, die beiden Schichten der Zellenscheidewände
auseinandergehen und dann jede der gesonderten Zellen eine ringsum abge¬
schlossene Wandung zeigt. Häufig sind die einzelnen Zellkammern in die Länge
gestreckt, schlauchförmig oder röhrenförmig, oder es wird auch die Wand solcher
Kammern sehr dick und zwar auf Kosten des Jnnenraums, so daß dieser schließlich
kaum mehr zu erkennen ist. Derartige Zellen machen den Eindruck von Fasern
und Fäden; Gruppen derselben erscheinen als Bündel und Stränge, haben nicht
die entfernteste Ähnlichkeit mit den Zellen einer Bienenwabe, und auf solche
Gebilde will dann der Ausdruck zellig nicht mehr passen.
Auch der Ausdruck Zellgewebe ist ganz dazu angetan, eine falsche Vor¬
stellung von der Gruppierung und Verbindung der einzelnen Zellkammern zu
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